Meteor
einem Haustelefon um. Nichts. Vielleicht sollte sie versuchen, einen Ausweis zu klauen, aber etwas in ihr riet ihr davon ab. Sie sah die Frau von vorhin mit einem Sicherheitsbeamten der NASA durch die Lobby streifen.
Ein schlanker, kahlköpfiger Mann kam um die Ecke und ging geschäftig auf die Aufzüge zu. Gabrielle beugte sich wieder über den Brunnen. Der Mann schien sie nicht zu bemerken. Gespannt verfolgte Gabrielle, wie er sich vorbeugte und den Ausweis in den Kartenschlitz steckte. Wieder tat sich eine Fahrstuhltür auf.
Der Mann stieg ein.
Jetzt oder nie , dachte Gabrielle.
Die Tür schloss sich langsam. Gabrielle wirbelte herum und rannte herbei. In letzter Sekunde streckte sie die Hand in die Türöffnung, und die Tür ging wieder auf. Mit vor Aufregung leuchtenden Augen sprang sie in den Aufzug. »Haben Sie so was schon mal erlebt?«, schwärmte sie den überraschten kahlköpfigen Herrn an. »Mein Gott, es ist einfach verrückt!«
Der Mann streifte sie mit einem verwunderten Blick.
»Die Jungs bei SETI sind bestimmt am Durchdrehen«, sagte Gabrielle. »Jetzt haben sie mit ihren Hornantennen seit zwanzig Jahren nach abweichenden Signalfeldern unter zweihundert Millijansky gesucht, und der physikalische Beweis steckt seit Jahrhunderten hier auf der Erde im Eis!«
Der Mann schaute überrascht auf. »Sicher… ja, das ist…« Sein Blick suchte Gabrielles Hausausweis. »Entschuldigen Sie, gehören Sie…«
»Zur Vierten bitte. Ich bin Hals über Kopf hergerannt. Vor lauter Eile hätte ich fast vergessen, die Unterwäsche anzuziehen!«
Gabrielle lachte. Sie erspähte den Namen des Mannes auf seinem Ausweis: JAMES THEISEN, Finanzabteilung.
»Arbeiten Sie hier bei uns?« Die Frage des Mannes war nicht besonders freundlich. »Miss…?«
Gabrielle ließ enttäuscht die Kinnlade fallen. »Jim! Das kränkt mich aber! Sie geben mir ja das Gefühl, dass ich bei Ihnen keinen Eindruck hinterlassen habe.«
Der Mann wurde blass. Er fuhr sich nervös mit der Hand über den Schädel. »Tut mir Leid, diese ganze Aufregung. Natürlich sehe ich Sie heute nicht zum ersten Mal. Bei welchem Programm waren Sie gleich beschäftigt?«
Gabrielle lächelte ihn selbstbewusst an. »EOS.«
Der Mann deutete auf den Leuchtknopf mit der Vier. »Klar. Ich meine, bei welchem Projekt?«
Gabrielles Herz schlug schneller. Sie kannte nur ein Projekt.
»PODS.«
Der Mann schaute sie überrascht an. »Tatsächlich? Ich dachte, ich würde jedes Mitglied von Dr. Harpers Team kennen.«
Gabrielle nickte beschämt. »Chris hat mich in der Versenkung verschwinden lassen. Ich bin die blödsinnige Programmiererin, die den Voxel-Index in der Anomalien-Software verbockt hat.«
Jetzt fiel Gabrielles Gegenüber die Kinnlade herunter. »Das waren Sie?«
Gabrielle machte ein betroffenes Gesicht. »Ich konnte wochenlang nicht mehr schlafen.«
»Aber hat das nicht Dr. Harper auf seine Kappe genommen?«
»Ja. Chris ist so ein Typ. Außerdem hat er es wieder hingekriegt. Das war vielleicht eine Meldung heute Abend, mit diesem Meteoriten! Ich kann’s noch gar nicht glauben.«
Der Aufzug hielt in der vierten Etage. Gabrielle stieg aus.
»Schön, dass wir uns wieder einmal gesehen haben, Jim. Sagen Sie unseren Rotstiftartisten einen schönen Gruß!«
»Klar, mach ich«, erwiderte der Mann, während die Tür sich schloss. »Man sieht sich.«
83
Wie die meisten seiner Vorgänger kam auch Zach Herney mit täglich vier bis fünf Stunden Schlaf aus. In den letzten Wochen waren es allerdings beträchtlich weniger gewesen. Als die Anspannung der Ereignisse des heutigen Abends allmählich abklang, spürte Herney die späte Stunde in allen Gliedern.
Er hatte sich mit einigen seiner engen Mitarbeiter in den Roosevelt Room zurückgezogen, um zur Feier des Tages ein Gläschen Champagner zu trinken, während im Fernseher die endlosen Kommentare der großen Sendestationen zu seiner Pressekonferenz und Tollands Dokumentation samt den gelehrten Expertenkommentaren liefen. Zurzeit flötete eine aufgekratzte Fernsehjournalistin vor dem Weißen Haus in ihr Mikrofon.
»Die Entdeckung der NASA hat Folgen für die menschliche Gattung, die jede Vorstellungskraft sprengen, auch politische Nachwirkungen hier in Washington. Für den unter Beschuss geratenen Präsidenten hätte die Bergung dieses Meteoriten zu keiner besseren Zeit kommen können« – die Dame wurde ernst – »und zu keiner schlechteren für Senator Sexton.« Es folgte eine Überblendung auf die
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