Meteor
CNN-Debatte vom frühen Nachmittag.
»Nach fünfunddreißig Jahren vergeblicher Suche«, erklärte Sexton, »liegt es für mich auf der Hand, dass wir niemals außerirdisches Leben finden werden.«
»Und wenn doch?«, warf Marjorie Tench ein.
Sexton verdrehte die Augen. »Du lieber Himmel! Verehrte Mrs Tench, wenn ich mich irren sollte, fresse ich einen Besen!«
Die Anwesenden lachten. Im Rückblick sah ein Blinder mit dem Krückstock, dass Marjorie den Senator kalt lächelnd und eigentlich ziemlich plump vorgeführt hatte, doch kein Fernsehzuschauer schien daran Anstoß zu nehmen. Sextons Herablassung und sein arroganter Ton gaben allen das Gefühl, dass er es nicht besser verdient hatte.
Der Präsident schaute sich um. Wo war Marjorie Tench? Seit jenem Blickkontakt vor der Pressekonferenz hatte er sie nicht mehr gesehen, und jetzt war sie auch nicht da. Merkwürdig, dachte er, sie hat doch genauso viel Grund zum Feiern wie ich.
Die Fernsehsendung endete, indem zum tausendsten Mal der Quantensprung des Präsidenten nach vorne und das katastrophale Abschmieren von Senator Sexton beschworen wurden.
Gestern noch war alles anders, dachte Herney. In der Politik kann sich von einem Augenblick zum anderen alles ändern.
Im Morgengrauen sollte er Gelegenheit bekommen, sich von der Richtigkeit seiner Worte zu überzeugen.
84
Pickering könnte zum Problem werden, hatte Marjorie Tench gesagt. Lawrence Ekstrom war mit dieser neuen Wendung zu beschäftigt, als dass er bemerkt hätte, dass der Sturm inzwischen noch stärker geworden war. Die Spanntrossen heulten in einer höheren Tonart. Die NASA-Leute liefen nervös durcheinander und unterhielten sich aufgeregt. Keiner dachte ans Schlafen. Ekstrom jedoch war in Gedanken bei einem anderen Sturm, der sich in Washington zusammenbraute. In den letzten paar Stunden waren zahlreiche Probleme auf Ekstrom zugekommen, die gelöst sein wollten. Aber diese neue Schwierigkeit stellte alle bisherigen in den Schatten.
Pickering könnte zum Problem werden.
Ekstrom konnte sich niemand vorstellen, mit dem er so ungern die Klingen gekreuzt hätte, wie mit William Pickering. Pickering saß Ekstrom nun schon seit Jahren mit seinen Versuchen im Nacken, das Veröffentlichungsgebaren der NASA zu kontrollieren und auf die Zielsetzungen der Missionen Einfluss zu nehmen, wobei er auch noch über die zunehmende Zahl der Fehlschläge Gift und Galle spie.
Pickerings Unzufriedenheit mit der NASA hatte gewichtigere Gründe als den Verlust des milliardenschweren NRO-Satelliten Vortex 2 unlängst bei einer Raketenexplosion auf der Startrampe, oder die Sicherheitslecks, oder die gegenseitige Konkurrenz um Topleute aus Luft- und Raumfahrt.
Die X-33 der NASA, das Nachfolgemodell des Space Shuttles, war seit fünf Jahren überfällig. Dutzende von Satellitenreparatur- und Startprogrammen des NRO waren deshalb ausgefallen oder hatten vertagt werden müssen. Pickerings Zorn über die X-33 hatte vor einiger Zeit ungeahnte Dimensionen erreicht, als er entdecken musste, dass die NASA das Projekt abgeblasen und stillschweigend einen Verlust von geschätzten neunhundert Millionen Dollar hingenommen hatte.
An seinem Büro angekommen, zog Ekstrom den als »Tür« dienenden Vorhang beiseite und ging hinein. Er setzte sich an den Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Entscheidungen waren zu fällen. Was als ein wunderbarer Tag begonnen hatte, entwickelte sich zusehends zum Albtraum. Ekstrom versuchte, sich in die Haut von William Pickering zu versetzen. Was würde er als Nächstes tun? Ein Mann von Pickerings Intelligenz musste den Rang dieser NASA-Entdeckung erkennen und bei ein paar, der Not des Augenblicks entsprungenen Entscheidungen, schon einmal fünf gerade sein lassen. Er musste doch begreifen, dass nicht wieder gutzumachender Schaden entstand, wenn dieser Augenblick des Triumphs in Misskredit geriet!
Was würde Pickering mit den Informationen anstellen, an die er herangekommen war? Würde er die Sache laufen lassen, oder würde er die NASA für ihre Pleiten zur Kasse bitten?
Stirnrunzelnd zog Ekstrom Bilanz. Das Ergebnis war eindeutig.
Schließlich hatte Pickering noch ein anderes Hühnchen mit der NASA zu rupfen…
Es war diese alte, tief sitzende Verbitterung, die mit Politik nichts zu tun hatte.
85
Rachel starrte aus der Kabine der G4 zum Fenster hinaus ins Leere, während die Grumman an der kanadischen Küste des St.-Lorenz-Golfs entlangflog. Ihr anfänglicher Verdacht hatte
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