Meteor
möglich? Der Fehlschlag auf dem Milne-Eisschelf war ein seltenes, aber erklärbares Ereignis gewesen. Doch was hier geschah, durfte es einfach nicht geben.
Schon unter normalen Umständen wäre die Demütigung unerträglich gewesen. Aber hier und jetzt steigerte sich die Schande ins Unermessliche – durch die Anwesenheit einer Person im Hubschrauber, deren Gegenwart höchst ungewöhnlich war.
Die Person des Einsatzleiters.
Nach dem Einsatz am FDR Memorial war Delta-1 zu einem verlassenen Park in der Nähe des Weißen Hauses bestellt worden. Delta-1 hatte kurz zwischen ein paar Bäumen auf einer Wiese aufgesetzt, der Einsatzleiter war aus der Dunkelheit getreten und eingestiegen. In Sekundenschnelle befanden sie sich wieder in der Luft und auf dem Weg zum Ziel.
Die unmittelbare Beteiligung eines Einsatzleiters an Operationen war sehr selten, doch Delta-1 konnte sich schlecht darüber beschweren. Unzufrieden mit dem Vorgehen der Delta Force auf dem Milne-Eisschelf hatte der Einsatzleiter, der zudem den wachsenden Argwohn und die erhöhte Wachsamkeit bestimmter Kreise befürchten musste, Delta-1 darüber informiert, dass die letzte Phase der Operation unter seiner persönlichen Überwachung stattfinden werde.
Nun saß der Einsatzleiter Delta-1 auf der Pelle und bekam aus erster Hand eine Pleite mit, wie Delta-1 sie noch nie erlebt hatte.
Es muss endlich Schluss sein. Sofort!
Der Einsatzleiter schaute aufs Deck der Goya hinunter. Wie konnte das nur wieder passiert sein? Bislang war aber auch alles schief gelaufen – der Meteorit war im Zwielicht, der Anschlag der Delta Force auf dem Eis hatte nicht geklappt, eine hochrangige Persönlichkeit musste am FDR-Memorial eliminiert werden.
»Einsatzleiter…« Delta-1 zeigte sich erstaunt und betreten über die Lage auf dem Deck der Goya. »Ich kann mir nicht vorstellen…«
Ich auch nicht, dachte der Einsatzleiter. Wir haben die Ziel-Personen offensichtlich sehr unterschätzt.
Der Einsatzleiter schaute hinunter zu Rachel Sexton. Sie blickte gleichmütig zum verspiegelten Cockpit herauf und hielt sprechbereit ein CrypTalk-Gerät an ihren Mund. Der Einsatzleiter erwartete, dass die synthetische Stimme, die im Kiowa aus dem Lautsprecher zwitscherte, den Rückzug des Hubschraubers oder das Abschalten des Störschirms fordern würde. Doch was er von Rachel Sexton zu hören bekam, war weitaus bestürzender.
»Sie kommen zu spät«, sagte sie. »Wir sind nicht mehr die Einzigen, die Bescheid wissen.«
Der Satz hing unheilvoll in der Luft. So unwahrscheinlich es war, dass die Behauptung stimmte, der Einsatzleiter durfte es nicht darauf ankommen lassen. Der Erfolg des gesamten Projekts stand und fiel mit der Eliminierung sämtlicher Mitwisser.
Die Eindämmung der Wahrheit hatte schon genug Blutvergießen gekostet. Der Einsatzleiter musste die Gewissheit haben, dass es mit der jetzigen Operation sein Bewenden hatte.
Jemand anders weiß Bescheid?
Rachel Sexton war dafür bekannt, strikte Geheimhaltung zu wahren. Es war schwer vorstellbar, dass sie sich entschlossen hatte, einem Außenstehenden Einblick zu gewähren. Rachel war wieder am Sprechfunk. »Wenn Sie sich zurückziehen, verschonen wir Ihre Leute. Wenn Sie näher kommen, müssen sie sterben. Egal wie, die Wahrheit ist nicht mehr aufzuhalten. Riskieren Sie keine unnötigen Verluste. Hauen Sie ab!«
»Sie wollen mir etwas vormachen«, sagte der Einsatzleiter, der wusste, dass seine Stimme elektronisch zu einem androgynen Roboterton verfälscht wurde. »Sie haben mit niemandem Kontakt aufgenommen, sonst…«
»Können Sie es sich leisten, sich auf dieses Risiko einzulassen?«, fiel Rachel ihm ins Wort. »Als die Kontaktaufnahme mit William Pickering mehrfach fehlgeschlagen ist, wurde mir mulmig, und ich habe eine Sicherheitsmaßnahme ergriffen.«
Der Einsatzleiter runzelte die Stirn. Möglich war es schon.
»Sie fallen nicht darauf herein«, sagte Rachel mit einem Blick zu Tolland.
Der in den Greifarmen hängende Kämpfer grinste mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Der Kiowa wird euch von der Bildfläche pusten. Eure Waffe ist leer, ihr werdet beide krepieren.
Für euch gibt es nur Hoffnung, wenn ihr uns laufen lasst.«
Von wegen!, dachte Rachel, während sie den nächsten Schachzug überlegte. Sie betrachtete den gefesselten und geknebelten Mann zu ihren Füßen. Der Blutverlust machte ihm offensichtlich schwer zu schaffen. Sie kauerte sich neben ihn und blickte ihm direkt in die harten Augen. »Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher