Meteor
zurechtlegen, was ich sage und…«
Der Präsident schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, wir haben uns nicht richtig verstanden. Sie werden die Unterrichtung per Videokonferenz vornehmen.«
»Oh.« Rachel zögerte. »An welche Uhrzeit haben Sie denn gedacht?«
»Jetzt sofort«, sagte Herney und grinste. »Die Leute sind bereits versammelt. Sie alle starren auf einen großen dunklen Fernsehschirm und warten, dass Sie anfangen.«
Rachel durchfuhr es eiskalt. »Sir, ich bin völlig unvorbereitet. Es ist unmöglich, dass ich…«
»Erzählen Sie einfach, was passiert ist. Das kann doch nicht so schwer sein.«
»Aber…«
»Rachel«, sagte der Präsident und beugte sich weit vor, »Ihr Beruf ist das Sammeln und Aufbereiten von Daten. Darauf verstehen Sie sich wie niemand sonst. Erzählen Sie einfach, was dort oben los ist.« Er griff nach einem Knopf an seiner Videoübertragungsanlage, hielt aber kurz inne. »Ich glaube, Sie werden mit Befriedigung feststellen, dass Sie aus einer machtvollen Position heraus sprechen.«
Rachel wusste mit der Bemerkung nichts anzufangen, aber für Fragen war es zu spät. Der Präsident hatte bereits auf den Knopf gedrückt.
Der Monitor erlosch für einen Moment. Als wieder ein Bild erschien, bot sich Rachel der einschüchterndste Anblick ihres Lebens. Direkt vor ihren Augen lag das Oval Office im Weißen Haus. Es war dermaßen überfüllt, dass es nicht einmal mehr Stehplätze gab. Der gesamte Mitarbeiterstab schien sich eingefunden zu haben. Und jeder starrte sie an. Wie Rachel jetzt erst bemerkte, schaute sie vom Schreibtisch des Präsidenten herab.
Aus einer machtvollen Position heraus sprechen… Rachel war jetzt schon schweißnass.
Nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, waren die Mitarbeiter des Präsidenten mindestens so überrascht, Rachel zu sehen, wie umgekehrt Rachel erstaunt war, diese Leute zu erblicken.
»Miss Sexton?«, rief eine kratzige Stimme. Rachel suchte im Meer der Gesichter nach dem Sprecher. Es war eine hagere Frau, die soeben in der ersten Reihe Platz nahm. Marjorie Tench. Sie war unverkennbar, sogar im dichtesten Gedränge.
»Vielen Dank, dass Sie zu uns sprechen wollen, Miss Sexton«, sagte Marjorie Tench ein wenig von oben herab. »Der Präsident sagte soeben, Sie hätten uns etwas mitzuteilen.«
33
Der Paläontologe Wailee Ming saß allein in der Dunkelheit in seinem privaten Arbeitsbereich. Er dachte über die Geschehnisse nach. Seine Sinne waren hellwach. Er genoss die Vorfreude auf den bevorstehenden Abend. Bald bin ich der berühmteste Paläontologe der Welt. Hoffentlich brachte Michael Tollands Dokumentation seine Kommentare in aller Ausführlichkeit.
Während Ming noch im Gefühl seines bevorstehenden Ruhms schwelgte, lief eine sanfte Vibration durch das Eis unter seinen Füßen. Er sprang auf. Seine bei den zahlreichen Erdbeben von Los Angeles geschulten Instinkte ließen ihn selbst die kleinsten Erschütterungen des Untergrunds wahrnehmen. Allerdings wurde ihm sofort bewusst, wie töricht seine Reaktion auf diese völlig normale Vibration gewesen war. Es ist nur das Kalben des Gletschers, sagte er sich erleichtert. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt. Alle paar Stunden rumpelte von weit her eine Detonation durch die Nacht, wenn irgendwo an der Gletscherzunge ein gewaltiger Eisblock abbrach und ins Meer stürzte. Norah Mangor hatte es sehr nett ausgedrückt: Da werden neue Eisberge geboren.
Ming blieb stehen und streckte sich. Sein Blick schweifte durch die Kuppel. Weit drüben im hellen Schein der Fernsehscheinwerfer kam die Feier allmählich in Gang. Ming war kein großer Partylöwe. Er drehte sich um und schlenderte in die andere Richtung davon.
Das Labyrinth der verlassenen Arbeitsbereiche mutete ihn an wie eine Geisterstadt. Die Kuppel hatte etwas von einem Mausoleum. Die Kühle im Innern schien sich zu verstärken. Ming knöpfte seinen langen Kamelhaarmantel bis unters Kinn zu.
Ein Stück vor ihm war die Mündung des Bergungsschachts zu erkennen, jene Stelle, an der das großartigste Fossil der Menschheitsgeschichte geborgen worden war. Das gewaltige dreibeinige Bergungsgerüst hatte man inzwischen weggeräumt. Das Wasserloch mit den Pylonen darum herum sah wie ein von der Polizei gesichertes Riesen-Schlagloch auf einem großen eisigen Parkplatz aus. Ming schlenderte hinüber. Aus sicherer Entfernung betrachtete er das sechzig Meter tiefe Loch. Das eiskalte Wasser würde bald wieder gefroren und sämtliche Spuren
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