Meteor
menschlicher Anwesenheit getilgt sein.
Das Wasser bot einen schönen Anblick, sogar bei Dunkelheit.
Besonders bei Dunkelheit.
Ming glaubte, sich getäuscht zu haben. Dann sah er genauer hin.
Hier stimmt etwas nicht.
Ming betrachtete das Wasser. Seine Beschaulichkeit wurde von einem plötzlichen Wirbelwind widersprüchlichster Empfindungen fortgefegt. Blinzelnd starrte er wieder und wieder auf die Erscheinung. Dann hob er den Blick. Er sah sich in der Kuppel um… Fünfzig Meter weiter, im Medienbereich, feierten die Leute. Hier, in der Dunkelheit, konnte ihn gewiss kein Mensch sehen.
Ich müsste es sofort melden… oder nicht?
Wieder schaute Ming ins Wasser. Was sollte er melden? Hatte er es mit einer optischen Täuschung zu tun? Mit einer merkwürdigen Reflexion?
Unsicher trat Ming in den Ring aus Pylonen und kauerte sich am Rand des Lochs nieder. Der Wasserspiegel lag gut einen Meter unterhalb der Eiskante. Er beugte sich noch tiefer, um besser sehen zu können, ja, irgendetwas stimmte hier nicht. Es war unübersehbar, hatte aber erst erkennbar werden können, als in der Kuppel die Lichter erloschen waren.
Ming richtete sich auf, wollte zum Medienbereich hinüberrennen. Doch schon nach den ersten Schritten blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Allmächtiger! Es riss ihn herum, und er trat wieder ans Loch. Seine Augen weiteten sich, als ihn die volle Wucht der Erkenntnis traf.
»Unmöglich!«, platzte es aus ihm heraus.
Und doch wusste er, dass es keine andere Erklärung gab. Jetzt bloß keinen Denkfehler!, ermahnte er sich. Es muss eine näher liegende Erklärung geben. Doch je fieberhafter er nachdachte, desto einleuchtender kam ihm die Erscheinung vor, die er vor sich hatte.
Jede andere Erklärung ist ausgeschlossen. Eigentlich war unvorstellbar, dass die NASA und Corky Marlinson einem so unglaublichen Fehler aufgesessen waren, doch Ming beklagte sich nicht.
Das ist jetzt Wailee Mings große Entdeckung!
Zitternd vor Erregung lief Ming zu einem Arbeitstisch und stöberte nach einem Becherglas. Er brauchte nur eine kleine Wasserprobe.
Niemand würde das für möglich halten!
34
Rachel betrachtete die Versammlung vor ihr auf dem Monitor. »Als Geheimdienstreferentin des Weißen Hauses«, sagte sie und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken, »gehört es zu meinen Pflichten, weltweit brisante Situationen zu analysieren und dem Präsidenten sowie dem Stab des Weißen Hauses zu berichten.«
Sie tupfte die Perlenkette aus Schweißtropfen an ihrem Haaransatz ab und verfluchte im Stillen den Präsidenten, der ihr ohne jede Vorwarnung diese Fernsehkonferenz aufgehalst hatte.
»Noch nie hat eine Dienstreise mich an einen so abgelegenen Ort geführt. Sie werden es kaum glauben, aber während ich in diesem Moment zu Ihnen spreche, befinde ich mich nördlich des Polarkreises auf einer Eistafel, die an die hundert Meter dick ist.«
In den Gesichtern der Versammlung vor ihr auf dem Monitor zeichnete sich Spannung ab. Die Leute hatten sich zwar denken können, dass man sie nicht von ungefähr alle ins Oval Office gestopft hatte, doch es dürfte wohl keiner damit gerechnet haben, dass es um Entwicklungen jenseits des Polarkreises ging.
Wieder rannen Schweißtropfen über Rachels Stirn. Reiß dich zusammen. Das hier ist dein Job. »Es ist mir eine große Ehre, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf. Es erfüllt mich mit Stolz und vor allem… mit Aufregung.«
Teilnahmslose Blicke.
Mist!, dachte Rachel und wischte sich schon wieder zornig den Schweiß ab. Kotz dich aus, wenn dich was drückt, hätte ihre Mutter gesagt. Der Spruch war der Inbegriff sämtlicher Überzeugungen von Rachels Mutter. Man kann mit allem fertig werden, wenn man nur mutig die Wahrheit sagt, egal, ob man dabei eine gute Figur macht oder nicht.
Rachel atmete tief durch, setzte sich kerzengerade hin und schaute fest in die Kamera. »Tut mir Leid, Leute, wenn ihr euch fragt, weshalb ich hier über dem Polarkreis wie ein Affe schwitze… ich bin ein bisschen nervös.«
Die Gesichter vor ihr schienen einen Augenblick lang verwundert dreinzuschauen. Jemand lachte leise.
»Außerdem hat mich euer Chef mit einer Vorwarnung von ungefähr zehn Sekunden in diese Generalversammlung seiner Mitarbeiter geschickt. Meinen ersten Besuch im Oval Office hatte ich mir eigentlich nicht als Feuertaufe vorgestellt.«
Diesmal lachten schon einige Zuhörer mehr.
»Außerdem«, fuhr Rachel fort und senkte den Blick an den unteren Bildrand
Weitere Kostenlose Bücher