Meteor
Umschlag Beweismaterial für ihr Schäferstündchen mit dem Senator enthielt. Das ist lächerlich, dachte sie. Der Vorfall hatte sich lange nach Büroschluss hinter verschlossenen Türen im Dienstzimmer des Senators zugetragen. Und wenn das Weiße Haus belastendes Material hätte – wäre es damit nicht schon längst an die Öffentlichkeit gegangen? Könnte sein, dass sie Verdacht geschöpft haben, aber Beweise haben sie nicht, dachte Gabrielle.
Marjorie Tench drückte die Zigarette aus. »Miss Ashe, ob Sie es nun wissen oder nicht, Sie befinden sich mitten in einem Grabenkampf, der in Washington seit 1996 hinter den Kulissen geführt wird.«
Die Eröffnung traf Gabrielle vollkommen unvorbereitet. »Wie meinen Sie?«
Marjorie Tench steckte sich eine weitere Zigarette an. »Was wissen Sie von einer Initiative für ein ›Gesetz zur Kommerzialisierung des Weltraums‹?«
Gabrielle hatte noch nie davon gehört. Hilflos hob sie die Schultern.
»Tatsächlich?«, sagte Marjorie Tench. »Ich bin überrascht – angesichts des Standpunkts, den Ihr Kandidat vertritt. Das Gesetz zur Kommerzialisierung des Weltraums wurde 1996 von Senator Walker vorgeschlagen. Er berief sich darauf, dass die NASA seit der Mondlandung nichts Nennenswertes mehr geleistet hätte und forderte die Privatisierung der NASA durch die sofortige Veräußerung ihrer Anlagen und ihres Vermögens an private Luft- und Raumfahrtunternehmen. Hierdurch würde dem System der Freien Marktwirtschaft die Möglichkeit zur wirtschaftlicheren und effektiveren Erforschung des Weltraums gegeben und gleichzeitig der Steuerzahler von der Last befreit, die ihm zurzeit durch die NASA aufgebürdet wird.« Gabrielle wusste zwar, dass die Kritiker der NASA die Privatisierung als Allheilmittel für die Nöte der Weltraumbehörde anpriesen, aber dass diese Idee bereits die Form einer Gesetzesvorlage angenommen hatte, war ihr nicht bekannt gewesen. »Dieses Kommerzialisierungsgesetz ist dem Kongress inzwischen viermal vorgelegt worden und wurde viermal angenommen. Gott sei Dank aber hat das Weiße Haus jedes Mal von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht. Zachary Herney hat es zweimal getan.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, dass Senator Sexton, falls er Präsident wird, dieses Gesetz ohne jeden Zweifel ratifizieren wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sexton bei der ersten Gelegenheit den Totalausverkauf der NASA an kommerzielle Bieter betreiben wird. Kurz gesagt, Ihr Kandidat zieht die Privatisierung der Weltraumforschung der Finanzierung durch Steuergelder vor.«
»Meines Wissens hat der Senator sich nie öffentlich zu irgendeinem Weltraum-Kommerzialisierungsgesetz geäußert.«
»Sicher. Aber ich darf doch annehmen, dass Sie in Kenntnis seiner Politik über seine Unterstützung des Gesetzes nicht überrascht wären, oder?«
»Marktwirtschaftliche Systeme haben nun mal einen Hang zur Effizienz.«
»Ich werte Ihre Äußerung als ein Ja.« Marjorie Tench blickte Gabrielle eindringlich an. »Leider ist die Privatisierung der NASA ganz und gar abzulehnen. Das Weiße Haus hatte gute Gründe, das Gesetz seit seiner ersten Vorlage beharrlich zu verhindern.«
»Ich kenne die Argumente gegen die Privatisierung des Weltraums«, sagte Gabrielle. »Ich verstehe Ihre Bedenken.«
»So?« Marjorie Tench beugte sich vor. » Welche Argumente kennen Sie?«
»Nun, vor allem die üblichen Befürchtungen von Seiten der Wissenschaft, dass bei einer Privatisierung der NASA unsere gegenwärtige Weltraumforschung schnell zugunsten von profitableren Weltraumunternehmungen aufgegeben würde.«
»Wie wahr. Die Weltraumforschung wäre im Handumdrehen erledigt. Statt in die Erforschung unseres Universums zu investieren, würden private Weltraumgesellschaften auf Asteroiden Tagebau betreiben, Hotels für Touristen im All erbauen, kommerzielle Satellitenstarts anbieten. Würden private Unternehmen für Milliardenbeträge den Ursprung unseres Universums erforschen, wenn es ihnen in klingender Münze nichts einbringt?«
»Natürlich würden sie das nicht. Aber man würde zweifelsohne eine nationale Weltraumstiftung zur Finanzierung wissenschaftlicher Missionen ins Leben rufen«, entgegnete Gabrielle.
»Diese Stiftung haben wir bereits. Sie nennt sich NASA.«
Gabrielle verstummte.
»Die Vernachlässigung der Wissenschaft zugunsten der Erwirtschaftung von Profit ist auch nur ein Nebenschauplatz«, sagte Marjorie Tench. »Dieses Problem ist von untergeordneter
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