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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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das Blut in die Wangen schoss. »Er ist nicht mein Großvater.« »Ach, so ist das.« Leonid schaufelte sich eine Portion in den Mund und lüpfte eine Augenbraue. »Du bist ziemlich dreist«, bemerkte sie. Er hob belehrend die Gabel. »Hartnäckig.« Sascha musste lächeln. »Ein bisschen zu viel Selbstvertrauen für meinen Geschmack.« »Ich habe Vertrauen in die Menschheit«, murmelte er kauend, »aber mir selbst traue ich am allermeisten.«
    Der Alte kehrte zurück, stellte sich hinter den Aufschneider, verzog unzufrieden das Gesicht, setzte sich dann aber doch auf seinen Hocker. »Sascha, ist es dir nicht zu eng hier?«, erkundigte er sich streitsüchtig und blickte an dem Musiker vorbei. »Sascha!«, wiederholte dieser triumphierend und blickte von seiner Schüssel auf. »Sehr erfreut. Ich heiße, wie gesagt, Leonid.« »Nikolai Iwanowitsch«, erwiderte Homer mürrisch und schielte zu ihm hin. »Was war das für eine Melodie, die Sie da vorhin gespielt haben? Sie kam mir irgendwie bekannt vor.« »Kein Wunder, ich spiele sie schon den dritten Tag hintereinander«, entgegnete Leonid mit der Betonung auf dem letzten Wort. »Es ist eine Eigenkomposition.«
    »Von dir?« Sascha legte das Besteck zur Seite. »Wie heißt das Stück?« Leonid zuckte mit den Schultern. »Es hat keinen Namen. Darüber habe ich nie nachgedacht. Und außerdem, wie soll man so etwas in Worten ausdrücken? Und wozu?« »Es ist sehr schön«, bekannte das Mädchen. »Außergewöhnlich schön.« »Ich könnte es nach dir benennen«, sagte der Musiker ohne zu zögern. »Du verdienst es.«
    »Nein danke.« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Melodie soll ohne Namen bleiben. Das passt besser.« »Sie dir zu widmen wäre durchaus auch passend.« Leonid fing an zu lachen, verschluckte sich aber und begann zu husten. »Bist du so weit?« Homer nahm Saschas Tablett und erhob sich. »Wir müssen los. Entschuldigen Sie uns, junger Mann.« »Keine Ursache!Ich bin schon fertig. Dürfte ich die junge Dame ein wenig begleiten?« »Wir sind im Begriff aufzubrechen«, entgegnete Homer scharf.
    »Wunderbar!Ich auch. Ich muss zur Dobryninskaja.« Der Musiker setzte eine unschuldige Miene auf. »Das ist nicht zufällig Ihre Richtung?« »Zufällig doch«, antwortete Sascha zu ihrer eigenen Überraschung. Während sie versuchte nicht in Homers Richtung zu sehen, sprang ihr Blick immer wieder zu Leonid hinüber.
    Er hatte eine gewisse Leichtigkeit, etwas Spöttisches, das jedoch nicht böse gemeint war. Wie ein kleiner Junge, der mit einem Zweig focht, fügte er einem kleine, harmlose Schläge zu, auf die man nicht wirklich böse sein konnte, selbst der Alte nicht. Seine Anspielungen machte er so beiläufig und spaßhaft, dass Sascha gar nicht daran dachte, sie ernst zu nehmen. Und was war schlecht daran, dass sie ihm gefiel?
    Außerdem hatte sie sich, lange bevor sie ihn kennengelernt hatte, in seine Musik verliebt. Und die Versuchung, diese Zauberei mit auf den Weg zu nehmen, war einfach zu groß. Es lag an der Musik, natürlich.
    Dieser junge Teufelskerl lockte wie der Rattenfänger von Hameln mit seiner glänzenden Flöte unschuldige Seelen an und missbrauchte sein Talent, um jedes junge Mädchen zu verderben, das er kriegen konnte. Jetzt versuchte er sogar, Alexandra in seine Fänge zu bekommen, und Homer wusste nicht einmal, wie er sich verhalten sollte!
    Anfangs schluckte der Alte die frechen Späße noch widerwillig, doch bald schon spürte er, wie der Zorn in ihm wuchs. Auch ärgerte er sich darüber, wie schnell Leonid erreichte, dass die für ihre Strenge berüchtigten Wachen der Hanse sie alle drei auf der Ringlinie bis zur Dobryninskaja passieren ließen - und das ohne Dokumente!Die Gemächer des Stationsvorstehers, eines glatzköpfigen älteren Stutzers, dessen Schnauzbart an die Fühler einer Küchenschabe erinnerte, betrat der Musiker mit seinem Flötenkasten voller Patronen und kam lächelnd und leichten Schrittes wieder heraus.
    Homer musste allerdings gestehen, dass ihnen die diplomatischen Künste des jungen Mannes sehr gelegen kamen: Die Motordraisine, die sie zur Pawelezkaja gebracht hatte, war mit Hunter aus dem Depot verschwunden, und ein Umweg würde sie eine ganze Woche kosten.
    Doch beunruhigte den Alten die Sorglosigkeit, mit der dieser Taschenspieler die für ihn so einträgliche Station verließ und sich von all seinen Ersparnissen verabschiedete, nur um Sascha in den Tunnel zu folgen. Gewöhnlich ließ das auf eine gewisse

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