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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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das Gefühl, als ob sie wieder durch eine Tür trat, die einen überirdischen Glanz verströmte. Wohin führte sie diesmal?
    Um den Musiker standen Dutzende von Zuhörern in einem engen Kreis. Um ihn zu sehen, musste Sascha sich nach vorne drängen. Schließlich stand sie direkt vor ihm. Seine Melodie zog die Menschen zwar magisch an, hielt sie aber auch auf Abstand. Sie war wie ein Licht, auf das sie alle zuflogen, doch auch eines, das sie zu verbrennen drohte.
    Aber Sascha hatte keine Angst. Er war jung, hochgewachsen und sah erstaunlich gut aus.
    Trotz seines etwas zerbrechlichen Eindrucks war sein gepflegtes Gesicht nicht weich, und in seinen grünen Augen lag keine Naivität. Die dunklen, langen Haare fielen gleichmäßig herab. Auch durch seine Kleidung unterschied er sich von der Masse der Menschen an der Pawelezkaja, denn sie war unauffällig, aber außerordentlich sauber.
    Sein Instrument ähnelte diesen Kinderpfeifen, die man aus Kunststoffrohren bastelte, nur war es größer, schwarz und hatte Klappen aus Kupfer. Die Flöte hatte etwas Feierliches und sie war sicher sehr teuer. Die Töne, die der Flötist ihr entlockte, schienen einer anderen Welt und einer anderen Zeit zu entstammen. Wie auch das Instrument selbst - und dessen Besitzer. Er hatte Saschas Blick sofort erhascht, diesen kurz losgelassen und sogleich wieder erfasst. Das machte sie verlegen. Seine Aufmerksamkeit war ihr zwar nicht unangenehm, aber eigentlich war sie doch wegen der Musik hierhergekommen. »Da bist du ja!Gott sei Dank!«
    Es war Homer, der sich keuchend und schwitzend zu ihr durchdrängte. »Wie geht es ihm?«, fragte Sascha sofort. »Ist er denn.«, begann der Alte, fing sich jedoch und sagte dann: »Er ist verschwunden.« »Was? Wohin?« Sascha fühlte, wie eine Faust ihr Herz zusammenpresste. »Er ist weggegangen. Hat alle seine Sachen mitgenommen. Ich vermute, zur Dobryninskaja.« »Hat er nichts zurückgelassen?«, erkundigte sie sich vorsichtig, gespannt, welche Antwort Homer ihr geben werde. Der Alte schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.«
    Jemand aus der Menge zischte wütend. Homer verstummte, hörte der Melodie zu und blickte misstrauisch zwischen dem Musiker und dem Mädchen hin und her. Doch Sascha war in Gedanken versunken. Zwar hatte Hunter sie fortgejagt und war dann selbst davongelaufen, aber allmählich fing Sascha an zu begreifen, nach welchen seltsamen Regeln er handelte. Wenn der Kahle all sein Hab und Gut mitgenommen hatte, wirklich alles . dann wollte er, dass sie nicht aufgab, nicht von ihrem Weg abkam, ihn suchte. Und das würde sie tun, trotz allem. Wenn nur . »Das Messer?«, flüsterte sie. »Hat er mein Messer mitgenommen? Das schwarze?« Homer zuckte mit den Schultern. »In seinem Zimmer ist es nicht.« »Also hat er es mitgenommen!« Dieses karge Zeichen war alles, was sie brauchte.
    Der Flötist hatte zweifelsohne Talent und beherrschte sein Instrument perfekt, als hätte er gestern noch im Konservatorium gespielt. In dem Flötenetui, das geöffnet vor ihm lag, hatten sich so viele Patronen angesammelt, dass er damit eine kleine Station hätte ernähren oder auch ausradieren können. Da war sie, die Anerkennung, dachte Homer und lächelte traurig.
    Die Melodie kam dem Alten bekannt vor, doch obwohl er lange überlegte, wo er sie schon einmal gehört hatte - in einem alten Kinofilm, einem Konzert oder im Radio -, es gelang ihm nicht, sich zu erinnern. Das Besondere an ihr war: Hatte sie einen einmal gepackt, kam man nicht mehr von ihr los; man musste ihr unbedingt bis zum Ende zuhören, um sodann dem Musiker zu applaudieren, bis dieser wieder zu spielen begann.
    Prokofjew? Schostakowitsch? Homers musikalisches Wissen war zu gering, um den Komponisten zu erraten.
    Doch wer auch immer diese Noten geschrieben hatte: Der Flötist spielte sie nicht nur, sondern verlieh ihnen einen eigenen Klang und eine eigene Bedeutung, ja er ließ sie lebendig werden. Eine Begabung, für die Homer dem jungen Mann sogar die verführerischen Blicke verzieh, die er Sascha immer wieder zuwarf, wie ein Kätzchen einer Papier-schleife.
    Doch jetzt war es Zeit, ihm das Mädchen zu entführen. Homer wartete, bis die Musik erstarb und der Flötist den Beifall des Publikums entgegennahm. Dann fasste er Sascha an dem feuchten, noch nach Chlor riechenden Kleid und zog sie aus dem Kreis heraus.
    »Meine Sachen sind gepackt. Ich gehe ihm nach«, sagte er, während sie sich von dem Musiker entfernten. »Ich auch«, erwiderte das

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