Metro 2034
Mädchen schnell. »Begreifst du, worauf du dich da einlässt?«, fragte Homer mit gedämpfter Stimme.
»Ich weiß alles. Ich habe euch zugehört.« Sie blickte ihn herausfordernd an. »Eine Epidemie, stimmt's? Er will alle verbrennen. Die Toten und die Lebenden. Die gesamte Station.« Er beäugte sie mit aufrichtigem Interesse. »Was willst du von ihm?«
Sascha antwortete nicht, und eine Zeit lang gingen sie schweigend nebeneinander her, bis sie an einem völlig menschenleeren Winkel der Station anlangten. Schließlich sagte sie langsam, nach Worten suchend: »Mein Vater ist gestorben. Wegen mir, ich bin schuld. Ich kann nichts tun, um ihn zum Leben zu erwecken. Aber dort sind Menschen, die noch leben. Die man noch retten kann. Also muss ich es versuchen. Das bin ich ihm schuldig.«
»Retten? Vor wem? Wovor?«, entgegnete der Alte bitter. »Die Krankheit ist unheilbar, du hast es ja gehört.«
»Vor deinem Freund. Er ist furchtbarer als jede Krankheit. Tödlicher.« Das Mädchen seufzte. »Bei einer Krankheit bleibt dir wenigstens noch die Hoffnung. Irgendjemand wird immer gesund. Einer von Tausend.«
Homer blickte sie mit ernster Miene an. »Warum glaubst du, dass gerade du das kannst?« »Ich habe es schon einmal geschafft«, erwiderte sie unsicher. Überschätzte das Mädchen nicht ihre Fähigkeiten? Betrog sie sich nicht selbst, wenn sie glaubte, dass der harte und gnadenlose Brigadier auch etwas für sie empfand?
Homer wollte Sascha nicht entmutigen, doch hielt er es für besser, sie schon jetzt zu warnen. »Weißt du, was ich in seinem Zimmer gefunden habe?« Der Alte zog die verbeulte Puderdose aus seiner Tasche und reichte sie Sascha. »Hast du sie so.« Sascha schüttelte den Kopf. »Also war es Hunter.«
Das Mädchen öffnete den Deckel und betrachtete ihr Spiegelbild in einem der Glassplitter. Sie dachte an ihr letztes Gespräch mit dem Kahlen und die Worte, die er im Halbschlaf gesprochen hatte, als sie gekommen war, um ihm das Messer zu schenken. Sie dachte an Hunters Gesicht, als er mit schweren Schritten, blutüberströmt, auf die krallenbewehrte Chimäre zugegangen war, damit sie von Sascha abließ und ihn selbst tötete . »Er hat es nicht wegen mir getan«, sagte sie bestimmt. »Sondern wegen dem Spiegel.«
Homer hob die Augenbrauen. »Was hat das damit zu tun?« »Du hast es selbst gesagt.« Sascha ließ den Deckel zuklappen und ahmte den mentorhaften Tonfall des Alten nach: »Manchmal ist es nützlich, sich von der Seite zu betrachten. So versteht man viel von sich selbst.«
Homer schnaubte abfällig. »Du glaubst, dass Hunter nicht weiß, wer er ist? Oder dass er noch immer an seinem Anblick leidet? Dass er deswegen den Spiegel kaputt gemacht hat?« Das Mädchen lehnte sich gegen eine Säule. »Es geht nicht um sein Äußeres.« »Hunter weiß genau, wer er ist. Offenbar hat er es nicht gern, wenn ihn jemand daran erinnert.« »Vielleicht hat er es vergessen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er versucht sich an etwas zu erinnern. Oder dass er mit einer Kette an eine schwere Lore gekettet ist, die einen Abhang hinunter in die Finsternis rollt, und keiner hilft ihm, sie aufzuhalten. Ich kann das nicht erklären. Ich spüre das einfach, wenn ich ihn sehe.« Sascha runzelte die Stirn. »Niemand sonst sieht das, nur ich. Deshalb habe ich gesagt, dass er mich braucht.«
»Genau, und deshalb hat er dich auch verlassen.« »Ich habe ihn verlassen. Und nun muss ich ihn einholen, solange es noch nicht zu spät ist. Noch sind alle am Leben. Noch können wir sie retten. Und ihn auch.« Homer hob den Kopf. »Vor wem willst du ihn retten?«
Sie blickte ihn prüfend an. Hatte der Alte wirklich nichts begriffen, obwohl sie sich so bemüht hatte? Dann antwortete sie ihm mit unfassbarem Ernst: »Vor dem Menschen im Spiegel.« »Ist hier besetzt?« Sascha, die zerstreut mit ihrer Gabel in dem gebratenen Fleisch mit Pilzen herumstocherte, zuckte zusammen. Neben ihr stand, ein Tablett in der Hand, der grünäugige Musiker. Der Alte war irgendwohin gegangen, sein Platz war leer. »Ja.« »Es gibt kein Problem, das sich nicht lösen ließe!« Er stellte sein Tablett hin, nahm mit Schwung einen freien Hocker vom Nachbartisch und setzte sich links neben Sascha, bevor diese protestieren konnte.
»Wenn was passiert - ich habe dich nicht eingeladen«, warnte sie ihn. »Bekommst du von deinem Großvater geschimpft?« Er zwinkerte ihr kumpelhaft zu. »Darf ich mich vorstellen: Leonid.«
Sascha merkte, wie ihr
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