Metro 2034
Verliebtheit schließen, doch war Homer überzeugt: Dieser Junge meinte es nicht ernst. Er war es gewohnt, leichte Siege zu erringen.
Homer kam sich immer mehr wie eine missmutige Anstandsdame vor. Aber es gab einen guten Grund für seine Wachsamkeit und Eifersucht: Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass seine auf so wundersame Weise erschienene Muse mit einem Wandermusikanten durchbrannte!Einer, mit Verlaub, völlig überflüssigen Figur.
In Homers Roman war keine Rolle für ihn vorgesehen, doch hatte er sich einfach einen Hocker geschnappt und sich unverschämterweise mit ins Spiel gebracht. »Gibt es auf der ganzen Welt wirklich niemanden mehr?«
Die drei wanderten bereits in Richtung Dobryninskaja, begleitet von drei Wachleuten. Wenn man seine Patronen richtig verteilte, gingen selbst die kühnsten Träume in Erfüllung. Sascha hatte gerade in aller Kürze von ihren Erlebnissen an der Oberfläche berichtet, dann war sie ins Stocken geraten, und ihre Miene hatte sich verfinstert. Homer und der Musiker blickten sich an: Wer sollte als Erster versuchen sie zu trösten?
Der Alte räusperte sich. »Gibt es ein Leben jenseits des MKAD? Das fragt sich also auch die junge Generation?« »Natürlich gibt es das«, erklärte Leonid im Brustton der Überzeugung. »Dass niemand überlebt hat, stimmt nicht. Es gibt nur keine Verbindung zu diesen Leuten.« »Nun, ich habe zum Beispiel gehört«, sagte Homer, »dass es irgendwo hinter der Taganskaja einen Geheimgang geben soll, der zu einem sehr interessanten Tunnel führt.
Dieser sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher Tunnel, sechs Meter Durchmesser, aber ohne Gleise. Er liegt tief, vielleicht vierzig oder sogar fünfzig Meter unter der Oberfläche. Und er führt weit nach Osten.« »Sie meinen den Tunnel, der zu den Bunkern im Ural führt?«, unterbrach ihn Leonid. »Mit der Geschichte von dem Mann, der einmal zufällig darauf traf, sich dann einen Rucksack voll Proviant besorgte und den Marsch durch diesen Tunnel aufnahm.« »Durch den er eine Woche lang ununterbrochen ging, nur mit ganz kurzen Pausen, bis ihm die Verpflegung knapp wurde und er umkehren musste. Ein Ende des Tunnels war da noch nicht in Sicht. Ja, Gerüchten zufolge soll das der
Tunnel zu den Uralbunkern sein. Und dort ist ja vielleicht noch jemand am Leben.« »Eher unwahrscheinlich«, gähnte der Musiker.
Homer ignorierte ihn und wandte sich Sascha zu. »Von einem Bekannten in der Polis weiß ich, dass einer von ihren Funkern einmal mit der Besatzung eines Panzers Kontakt hatte. Die hatten offenbar noch rechtzeitig die Schotten dicht gemacht und ihr Gefährt in eine solche Einöde gesteuert, wo niemand auch nur im Entferntesten daran dachte, sie zu bombardieren .«
Leonid nickte. »Auch eine bekannte Geschichte. Als ihnen der Diesel ausging, haben sie den Panzer auf einem Hügel eingegraben und außen herum eine richtige kleine Siedlung errichtet. Und ein paar Jahre lang haben sie jeden Abend die Polis angefunkt.«
»…bis der Empfänger kaputtging«, schloss Homer ab, sichtlich gereizt. »Und das mit dem U-Boot?« Sein Rivale streckte sich. »Eines unserer AtomU-Boote war nämlich damals auf Fernfahrt, und als der Schlagabtausch anfing, hatte es seine Gefechtsposition
noch nicht erreicht. Als es dann endlich auftauchte, war alles längst vorbei. Damals hat die Besatzung das Boot unweit von Wladiwostok angedockt .«
»…und mit seinem Reaktor wird bis heute der ganze Ort versorgt«, fiel Homer ein. »Vor einem halben Jahr habe ich einen Mann getroffen, der behauptete, er sei Erster Offizier dieses Boots gewesen. Er sagte, er habe das ganze Land mit dem Fahrrad durchquert und sei endlich in Moskau angekommen. Er sei drei Jahre unterwegs gewesen.«
»Und Sie haben persönlich mit ihm gesprochen?«, erkundigte sich Leonid höflich, aber erstaunt. »Natürlich«, schnappte Homer zurück. Legenden waren schon immer sein Steckenpferd gewesen, und er konnte es einfach nicht zulassen, dass dieser Grünschnabel ihn übertrumpfte. Noch hatte er eine Geschichte in Reserve, die ihm besonders viel bedeutete. Eigentlich hätte er sie lieber aus einem anderen Anlass erzählt, anstatt sie für einen derart nichtigen Wettstreit zu vergeuden. Doch als er bemerkte, dass Sascha über jeden Witz dieses Halunken lachte, rückte er doch damit heraus. »Und das mit Poljarnyje Sori, kennen Sie das?«
»Poljarnyje was?«, fragte der Musiker und wandte sich ihm zu.
»Ich bitte Sie.« Homer lächelte milde. »Im hohen
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