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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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erblickte, vergaß sie alles andere. In den letzten Tagen war sie bereits an Orten gewesen, deren Existenz sie nie für möglich gehalten hätte.
    Doch die Oktjabrskaja mit ihrer Pracht stellte alles Bisherige in den Schatten. Auf dem Granitboden lagen Teppiche, deren ursprüngliche Muster trotz ihres Alters noch immer zu erkennen waren. Fackelförmige, auf Hochglanz polierte Leuchter erfüllten den Saal mit gleichmäßigem, milchigem Licht. Hier und dort waren Tische aufgestellt, an denen Menschen mit glänzenden Gesichtern saßen, sich träge miteinander unterhielten und Papiere austauschten. Sascha verrenkte sich den Hals, um möglichst viel davon aufzunehmen. Dann sagte sie verschüchtert: »Das hier ist alles so luxuriös.«
    »Die Ringstationen sind für mich wie Schweinefleisch am Spieß«, flüsterte ihr Leonid zu. »Sie tropfen nur so vor Fett . Übrigens, wie wär's mit einem Imbiss?« »Keine Zeit.« Sie schüttelte den Kopf und hoffte, er würde das erwartungsvolle Knurren ihres Magens nicht hören.
    »Komm schon.« Der Musiker zog sie an der Hand. »Hier gibt es ein Plätzchen - alles, was du bisher gegessen hast, ist kein Vergleich dazu. Jungs, ihr habt doch sicher nichts gegen eine Mahlzeit?«, rief er den Bewachern zu. »Sei unbesorgt, Sascha, in zwei Stunden sind wir da. Das mit dem Schweinespieß war nicht nur so dahingesagt. Hier machen sie nämlich.«
    Er schwärmte ihr in höchsten Tönen von dem Fleisch vor, bis Sascha schließlich einlenkte. Wenn es nur noch zwei Stunden bis zum Ziel waren, war eine halbstündige Mahlzeit vertretbar. Immerhin hatten sie fast einen ganzen Tag Zeit, und wer wusste schon, wann sie das nächste Mal etwas zu essen bekamen?
    Der Schaschlik hatte das Lob wirklich verdient. Doch als sei das nicht genug, bestellte Leonid noch eine Flasche Süßwein. Sascha trank aus Neugier ein kleines Glas, den Rest teilte sich der Musiker mit den Wachleuten. Plötzlich fuhr sie auf, erhob sich mit schwankenden Knien und befahl Leonid ebenfalls aufzustehen.
    Die Härte in ihrer Stimme rührte von dem plötzlichen Ärger über sich selbst. Ärger darüber, dass sie, erschöpft vom Essen und dem heißen Alkohol, ein wenig zu spät seine Hand von ihrem Knie fortgeschoben hatte. Seine Finger waren leicht und sinnlich gewesen. Unverschämt. Leonid hob sogleich die Hände, als wollte er sagen: »Ich gebe auf!«, doch auf ihrer Haut spürte sie noch immer seine Berührung. Warum habe ich ihn so schnell weggestoßen?, fragte sie sich verwirrt und kniff sich zur Strafe.
    Sie spürte das Verlangen, diese klebrig-süße Szene so schnell wie möglich aus ihrem Gedächtnis zu tilgen, sie mit irgendeinem sinnlosen Geschwätz zu übertünchen, mit Worten einzupudern. »Die Menschen hier sind so seltsam«, sagte sie zu Leonid.
    »Warum?« Er leerte sein Glas mit einem Zug und kam langsam hinter dem Tisch hervor. »Es fehlt etwas in ihren Augen .« »Hunger.« »Nein, nicht nur . Sie scheinen gar nichts zu brauchen.«
    »Das kommt daher, dass sie nichts brauchen.« Leonid schmunzelte. »Sie sind satt. Königin Hanse ernährt sie. Und die Augen? Ganz normale, trübe Augen sind das.« Sascha wurde ernst. »Was wir heute übriggelassen haben, hätte mir und meinem Vater für drei Tage gereicht. Hätten wir es nicht mitnehmen sollen, um es jemandem zu geben?«
    »Nein«, erwiderte der Musiker, »sie geben es ihren Hunden. Arme Leute gibt es hier nicht.« »Aber man könnte es doch an irgendwelchen Nachbarstationen verteilen!Dort, wo Menschen hungern .«
    »Die Hanse ist doch kein Wohlfahrtsverein«, schaltete sich der Wachmann, den sie Krücke nannten, ein. »Die anderen sollen selber schauen, wo sie bleiben.
    Das fehlte noch, dass wir die Taugenichtse durchfüttern!« »Bist du denn von hier?«, erkundigte sich Leonid. »Ich hab schon immer hier gelebt. So lange ich zurückdenken kann.« »Du wirst es nicht glauben: Auch wer nicht am Ring geboren ist, braucht manchmal was zum Beißen.«
    »Sollen sie sich doch gegenseitig fressen!«, entgegnete der Soldat erregt. »Oder sollen wir zulassen, dass sie uns am Ende alles abnehmen und aufteilen, wie die Roten es wollen?«
    »Na ja, wenn das alles so weitergeht wie bisher .«, begann Leonid. »Dann was? Sei bloß still, du Grünschnabel!Was du hier so zusammenredest, reicht locker für'ne Abschiebung.« »Die Abschiebung hab ich mir schon längst verdient«, erwiderte der Musiker phlegmatisch. »Ich arbeite dran.« »Ich könnte dich auch woandershin

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