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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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niemand für uns!« Die Augen quollen ihr wieder über. »Das hast du so ausgeheckt, oder? Damit wir keine Chance mehr haben, es zu schaffen?«
    Erneut hämmerte sie gegen die Tür. »Wenn du glaubst, dass dort niemand ist, warum klopfst du dann?«, fragte Leonid. »Dir ist es doch scheißegal, ob die Kranken sterben!«
    Er seufzte. »Das ist also deine Meinung von mir, ja? Das finde ich nicht fair. Dir geht es doch in Wirklichkeit auch nicht um die Kranken. Du hast doch nur Angst, dass dein Geliebter, wenn er sie alle abschlachtet, sich selbst ansteckt, und wenn du dann kein Gegenmittel hast.«
    »Das ist nicht wahr!« Sascha war kurz davor, auf ihn einzuschlagen. »Das ist wohl wahr!«, blaffte Leonid. »Was ist denn so toll an ihm?« Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust, ihm das zu erklären. Am liebsten hätte sie kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Doch es brach wie von selbst aus ihr heraus: »Er braucht mich!Er braucht mich wirklich. Ohne mich geht er zugrunde. Du brauchst mich nicht. Du hast bloß keinen, der mit dir spielt!«
    »Na schön, nehmen wir an, er braucht dich. ‚Brauchen‘ scheint mir zwar reichlich hoch gegriffen, aber belassen wir es erst mal dabei . Und wozu brauchst du ihn, diesen Kammerjäger? Stehst du auf finstere Typen? Oder musst du unbedingt eine gefallene Seele retten?«
    Sascha schwieg. Es traf sie, mit welcher Leichtigkeit Leonid ihre Gefühle erriet. Waren sie vielleicht gar nicht so besonders? Oder hatte das damit zu tun, dass sie sie nicht verheimlichen konnte? All das Zarte, Flüchtige, das sie selbst nicht in Worte fassen konnte, klang aus seinem Mund alltäglich, ja sogar banal.
    »Ich hasse dich«, sagte sie schließlich. »Macht nichts. Ich finde mich auch nicht so toll.«
    Sascha setzte sich auf den Boden. Wieder liefen ihr die Tränen übers Gesicht - zuerst vor Wut, dann aus einem Gefühl der Ohnmacht. Solange von ihr noch etwas abhing, wollte sie nicht aufgeben. Doch nun saß sie hier, in diesem dunklen Kerker, neben diesem gefühllosen Menschen. Es gab nicht die geringste Chance, dass jemand sie hörte.
    Schreien war sinnlos. Klopfen war sinnlos. Es war niemand da, den sie hätte überzeugen können. Alles war sinnlos.
    Und dann sah sie einen Augenblick lang das Bild vor sich: hohe Häuser, einen grünen Himmel, fliegende Wolken, lachende Menschen. Und die heißen Tropfen auf ihren Wangen erschienen ihr wie die Tropfen jenes Sommerregens, von dem ihr der Alte erzählt hatte. Nach einer Sekunde war das Trugbild verflogen - nur eine leichte, wundersame Stimmung hing noch in der Luft.
    Sascha biss sich auf die Lippe und sagte störrisch zu sich selbst: »Ich will ein Wunder.« Im nächsten Augenblick klickte ein Schalter im Gang vor der Tür, und unerträglich grelles Licht flutete in die Zelle.
    Bereits weit vor dem Eingang zur heiligen Hauptstadt der Metro, dem marmornen Hort der Zivilisation, verbreitete das weiße Leuchten der Quecksilberlampen eine selige Aura der Ruhe und des Wohlstands.
    In der Polis sparte man nicht mit Licht, denn man glaubte an seine magische Wirkung. Der Überfluss an Licht erinnerte die Menschen an ihr früheres Leben, jene fernen Zeiten, als der Mensch noch kein nächtliches Wesen, kein Raubtier gewesen war. Sogar die Barbaren, die von der Peripherie auf das Gebiet der Polis gelangten, beherrschten sich hier.
    Der Grenzposten war kaum befestigt und erinnerte eher an ein Vorzimmer in einem sowjetischen Ministerium: ein Tisch, ein Stuhl, zwei Offiziere in sauberer Stabsuniform und mit Schirmmützen. Ausweiskontrolle, Durchsicht der persönlichen Habe. Homer kramte seinen Pass aus der Tasche. Visa gab es nicht mehr, also waren keine Probleme zu erwarten. Er hielt dem Offizier das grüne Büchlein hin und schielte zu dem Brigadier hinüber.
    Der stand in sich versunken da und schien die Aufforderung des Grenzers gar nicht gehört zu haben. Hatte er etwa keinen Pass? Was hatte er sich dabei gedacht? Wo er es doch so eilig gehabt hatte, hierherzukommen? »Ich wiederhole zum letzten Mal« - die Hand des Offiziers wanderte langsam auf sein glänzendes Pistolenhalfter zu -»zeigen Sie mir Ihren Ausweis, oder verlassen Sie unverzüglich das Territorium der Polis!« Homer war sich sicher: Der Brigadier hatte gar nicht begriffen, was man von ihm wollte. Er reagierte allein darauf, wohin sich die Finger des Offiziers bewegten. Augenblick
    lich erwachte er aus seiner seltsamen Starre, schleuderte blitzartig seine geöffnete Hand nach vorn und stieß

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