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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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in sich aufgenommen? Eines aber wusste der Alte gewiss: Für die Bewohner waren diese Stationen prägend, der jeweilige Charakter übertrug sich auf die Menschen, sie waren infiziert mit der besonderen Stimmung und den spezifischen Malaisen.
    Seinem ganzen Wesen nach gehörte Homer mit seiner ewigen Grübelei und seiner unheilbaren Nostalgie eigentlich gar nicht an die strenge Sewastopolskaja, sondern viel eher hierher, an die Polis, die im Lichte der Vergangenheit erstrahlte. Das Schicksal hatte jedoch anders entschieden. Und nicht einmal jetzt, da er endlich wieder hierhergekommen war, hatte er die Muße, diese hallenden Säle zu durchschreiten, die Stuck- und Gussarbeiten zu bewundern, zu fantasieren, sondern musste gehetzt weiterziehen.
    Hunter war es unter größter Anstrengung gelungen, jenes furchtbare Geschöpf in sich selbst, das er von Zeit zu Zeit mit Menschenfleisch füttern musste, zu fesseln und einzusperren. Doch dieses Ungeheuer in ihm brauchte nur die Stäbe seiner inneren Zelle auseinanderzubiegen -und im nächsten Augenblick wäre nichts mehr von dem fadenscheinigen Gitter übrig, hinter dem der Brigadier jetzt saß.
    Homer musste sich beeilen.
    Hunter hatte ihn gebeten, einen gewissen Melnik zu finden. War das ein Deckname? Eine Parole? Als er die Wachen nach diesem Namen gefragt hatte, hatten sie sich augenblicklich verwandelt: Keine Rede mehr von einem Tribunal, das dem gefangenen Brigadier drohe, und auch die Handschellen, die sich schon fast um Homers Handgelenke geschlossen hatten, waren gleich wieder in der Schublade verschwunden. Und es war der beleibte Wachleiter persönlich, der den Alten begleitete.
    Sie stiegen eine Treppe hinauf, gingen einen Korridor entlang, kamen zur Arbatskaja. Dort blieben sie vor einer Tür stehen, die von zwei Männern in Zivil bewacht wurde Berufskillern, wie man unzweifelhaft an den Gesichtern erkannte. Hinter ihren breiten Rücken erstreckte sich ein enger Gang mit winzigen Diensträumen zu beiden Seiten. Der Dicke bat Homer zu warten und stapfte den Gang hinunter. Nach kaum drei Minuten kam er wieder zurück, musterte den Alten verwundert und bat ihn mitzukommen.
    Am Ende des Ganges befand sich ein überraschend geräumiges Zimmer, dessen Wände mit Karten und Plänen bedeckt waren, dazwischen hingen Notizen, verschlüsselte Funksprüche, Fotos und Zeichnungen. Hinter einem breiten Eichentisch saß ein hagerer Mann mittleren Alters mit ungewöhnlich breiten Schultern. Homer dachte zuerst, er trüge eine kaukasische Burka; aus dem übergeworfenen Uniformmantel ragte nur der linke Arm heraus, und bei näherem Hinsehen erkannte Homer, dass der rechte fast komplett amputiert worden war. Der Mann war von hünenhaftem Wuchs - seine Augen befanden sich fast auf derselben Höhe wie die Homers, der vor ihm stand. »Danke«, sagte der Mann und entließ den Dicken, der mit merklichem Bedauern die Tür hinter sich schloss. Dann wandte er sich Homer zu. »Wer sind Sie?« »Nikolajew, Nikolai Iwanowitsch«, erwiderte der Alte verwirrt.
    »Lassen Sie die Dummheiten!Wenn Sie zu mir kommen und behaupten, dass Sie meinen teuersten Kameraden begleiten, den ich schon vor einem Jahr beerdigt habe, so müssen Sie einen gewichtigen Grund haben. Wer sind Sie?« »Niemand. Es geht nicht um mich. Er lebt, glauben Sie mir. Sie müssen mit mir kommen, so schnell es geht.« »Nun habe ich wirklich das Gefühl, dass dies entweder eine Falle ist. Oder ein idiotisches Spiel. Oder einfach ein Irrtum.« Melnik steckte sich eine Papirossa an und blies Homer Rauch ins Gesicht. »Gut, Sie kennen seinen Namen.
    Aber angenommen, er wäre mit Ihnen hier, so müssten Sie auch seine Geschichte kennen. Sie müssten wissen, dass wir ihn über ein Jahr lang jeden Tag gesucht haben. Dass wir bei dieser Suche einige Männer verloren haben. Sie müssten verdammt nochmal wissen, wie viel er uns bedeutete. Vielleicht sogar, dass er meine rechte Hand war.« Ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Nein, ich weiß nichts dergleichen. Er hat nie etwas von sich erzählt.« Homer hatte den Kopf eingezogen. »Bitte, kommen Sie doch einfach mit zur Borowizkaja. Wir haben keine Zeit.«
    »Ich gehe nirgendwohin. Dafür gibt es einen bestimmten Grund.« Melnik griff mit seiner Hand unter den Tisch, machte eine Bewegung und fuhr auf merkwürdige Weise zurück, ohne aufzustehen; erst nach einigen Sekunden begriff Homer, dass er in einem Rollstuhl saß. »Also reden wir erst mal in Ruhe darüber. Ich will

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