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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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stürmen!«, drang es auf einmal klar und deutlich aus dem Hörer. »Warum?«, entgegnete der Stationsvorsteher. »Was zum Teufel ist bei euch los?«Doch die Stimme war nicht mehr zu hören. Immer mächtiger schwoll das Rauschen an, dann war die Leitung tot. Istomin wollte es zuerst nicht glauben und hielt den Hörer weiter in der Hand. »Was geht da nur vor sich?«, murmelte er.
3 - NACH DEM LEBEN
    Diesen Blick des Wachmanns, der sich von ihnen am äußersten nördlichen Posten verabschiedete, würde Homer im Leben nicht vergessen. Es war ein Blick voller Bewunderung und Melancholie - wie für einen gefallenen Helden, während im Hintergrund die Salutschüsse der Ehrenkompanie ertönen. Wie ein Abschied für immer.
    Lebenden galten solche Blicke nicht. Homer fühlte sich, als ob er auf einer wackeligen Leiter in die Kabine eines jener winzigen, landungsunfähigen Flugzeuge hochkletterte, die japanische Ingenieure einst zu Höllenmaschinen umgerüstet hatten. Die kaiserliche Flagge mit den roten Strahlen flatterte im salzigen Wind, auf dem sommerlichen Flugfeld huschten Mechaniker umher, Motoren heulten auf, und ein dicker General, in dessen wässrigen Augen der Neid des Samurais funkelte, hob die Hand zum militärischen Gruß .
    »Was bist du so gut gelaunt?«, fragte Achmed den verträumten Alten grimmig. Anders als Homer brannte er keineswegs darauf, herauszufinden, was an der Serpuchowskaja los war. Auf dem Bahnsteig stand schweigend seine Frau, an der linken Hand den ältesten Sohn, auf dem rechten Arm ein quäkendes Bündel, das sie vorsichtig gegen die Brust drückte.
    »Das ist wie ein plötzlicher Banzai-Angriff: Man steht auf und läuft geradewegs auf das Maschinengewehr zu«, versuchte Homer zu erklären. »Der Mut der Verzweiflung. Vor uns liegt tödliches Feuer.« »Kein Wunder, dass man das Selbstmord-Angriff nennt«, brummte Achmed und blickte zu dem winzigen hellen Fleck am Ende des Tunnels zurück. »Genau das Richtige für solche Irren wie dich. Ein normaler Mensch stürmt doch nicht auf ein MG zu. Solche Heldentaten bringen doch keinem was.«
    Der Alte antwortete nicht gleich. »Na ja, das ist so eine Sache. Wenn du spürst, dass deine Zeit gekommen ist, beginnst du darüber nachzudenken: Was bleibt von mir? Habe ich etwas erreicht?« »Hm. Was dich angeht, bin ich mir nicht sicher. Aber ich habe jedenfalls meine Kinder. Die werden mich sicher nicht vergessen.« Nach einer Pause fügte Achmed hinzu: »Zumindest der Ältere.«
    Homer wollte schon eine gekränkte Antwort geben, doch Achmeds letzter Satz nahm ihm den Wind aus den Segeln. Natürlich fiel es ihm, einem alten und kinderlosen Mann, leicht, seinen mottenzerfressenen Pelz zu riskieren. Dieser junge Bursche hier hatte dagegen noch zu lange zu leben, um sich schon jetzt Gedanken über seine Unsterblichkeit zu machen.
    Sie kamen an der letzten Lampe vorbei - einer Glasdose mit einer Glühbirne darin und einem Gitter aus Bewehrungsstahl voller verbrannter Fliegen und geflügelter Kakerlaken. Das Chitin-Gemenge rührte sich kaum merklich: Einige Insekten lebten noch, versuchten herauszukrabbeln wie angeschossene Todeskandidaten aus einem Massengrab.
    Einen Augenblick lang blieb Homer in dem zitternden, ersterbenden, schwächlich-gelben Lichtfleck stehen, der mühsam aus dieser Friedhofslampe hervorquoll. Dann holte er tief Luft und tauchte, den anderen folgend, in die tiefschwarze Finsternis ein, die sich von den Grenzen der Sewastopolskaja bis fast zur Tulskaja ergoss - wenn diese Station überhaupt noch existierte.
    Es schien, als seien die traurige Frau und ihre beiden kleinen Kinder mit den Granitplatten des Bodens verwachsen. Sie waren nicht allein auf dem Bahnsteig: Etwas abseits stand ein einäugiger Dicker mit den Schultern eines Ringers und blickte der sich allmählich entfernenden Gruppe nach. Hinter ihm sprach ein hagerer Alter in einer Soldatenjacke leise mit einem Adjutanten.
    »Jetzt können wir nur warten«, resümierte Istomin, während er zerstreut die erloschene Kippe aus einem Mundwinkel in den anderen schob. »Du kannst von mir aus warten«, entgegnete der Oberst gereizt. »Ich tue, was ich tun muss.« »Es war Andrej. Der leitende Offizier der letzten Troika, die wir losgeschickt haben.« Wladimir Iwanowitsch hörte wieder die Stimme aus dem Telefonhörer - sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. »Na und?« Der Oberst hob eine Braue. »Vielleicht hat er unter Folter gesprochen. Es gibt da Spezialisten, die kennen die

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