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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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nicht kannte, stieß den Alten verwundert in die Seite: Was war mit dem los? Homer breitete die Arme aus. Wie sollte er ihm das in zwei Worten erklären?
    Warum brauchte er sie überhaupt? Hunter schien sich in den hiesigen Tunneln wesentlich sicherer zu fühlen als Homer. Dabei hatte er ihm doch die Rolle des einheimischen Führers zugedacht. Hätte er den Alten gefragt, so hätte der ihm eine Menge über diese Gegend erzählen können. Legenden, aber auch wahre Begebenheiten, die bisweilen furchtbarer und bizarrer waren als die unwahrscheinlichsten Geschichten, die sich die Wachleute am einsamen Lagerfeuer aus Langeweile erzählten.
    Homer hatte seinen eigenen Metroplan im Kopf
    Istomins Karte war nichts im Vergleich dazu. Dort, wo auf dem Plan des Stationsvorstehers weiße Flecken gähnten, hätte Homer die gesamte freie Fläche mit seinen Markierungen und Anmerkungen füllen können. Senkrechte Schächte, offene, zum Teil noch erhaltene Diensträume, Verbindungslinien wie feine Spinnweben. Auf seinem Plan gab es zum Beispiel zwischen der Tschertanowskaja und der Juschnaja -also eine Station weiter südlich - eine Abzweigung. Diese mündete irgendwann in den gigantischen Schlauch des Metrodepots Warschawskoje, das Dutzende von Abstellgleisen wie kleine Äderchen umwoben. Homer, der gegenüber Zügen eine heilige Ehrfurcht hatte, empfand dieses Depot als düsteren und zugleich mystischen Ort, wie eine Art Elefantenfriedhof - stundenlang konnte er darüber reden, sofern sich Zuhörer fanden. Den Abschnitt zwischen der Sewastopolskaja und dem Nachimowski prospekt hielt Homer für überaus schwierig.
    Die Sicherheitsvorschriften und ein gesunder Menschenverstand erforderten es hier, dass man zusammenblieb, sich langsam und vorsichtig vorwärtsbewegte und dabei die Wände und den Boden aufmerksam im Auge behielt. Auch den eigenen Rückraum durfte man in diesem Tunnel, in dem sämtliche Luken und Spalten von den Baubrigaden der Sewastopolskaja zugemauert und versiegelt worden waren, niemals außer Acht lassen.
    Vom Licht der Lampe kurzzeitig aufgerissen, wuchs die Finsternis hinter ihnen sogleich wieder zusammen. Das Echo ihrer Schritte brach sich an den unzähligen Rippen der Tunnelsegmente, und irgendwo in der Ferne heulte einsam der Wind, eingefangen in einem Lüftungsschacht.
    Große, schwere Tropfen sammelten sich zäh in den Deckenfugen und fielen dann herab. Vielleicht bestanden sie ja nur aus Wasser, doch Homer wich ihnen lieber aus. Einfach so, vorsichtshalber.
    In den alten Zeiten, als die aufgeblähte Monsterstadt an der Oberfläche noch ihr fieberhaftes Leben lebte und die Metro für die rastlosen Städter nichts anderes war als ein seelenloses Verkehrssystem, wanderte der noch ganz junge Homer, den alle einfach nur Kolja nannten, bereits mit Taschenlampe und eisernem Werkzeugkasten durch ihre Tunnel.
    Normalsterblichen war der Weg dorthin verboten. Für sie waren nur die etwa hundertfünfzig auf Hochglanz polierten Marmorsäle sowie die mit bunter Reklame beklebten, engen Waggons vorgesehen. Obwohl sie täglich zwei bis drei Stunden in den schwankenden Zügen der Metro verbrachten, waren sich Millionen von Menschen nicht bewusst, dass sie damit nur den zehnten Teil eines unglaublich riesigen unterirdischen Reiches zu Gesicht bekamen. Und damit sie erst gar nicht über dessen wahres Ausmaß nachdachten oder darüber, wo all diese unscheinbaren Türen und Eisensperren, die dunklen Seitentunnel und die monatelang wegen Reparatur geschlossenen Übergänge hinführten, lenkte man sie mit auffälligen Plakaten ab, führte sie mit aufreizend dummen Slogans in die Irre und verfolgte sie sogar noch auf den Rolltreppen mit hölzernen Werbedurchsagen. So zumindest erschien es Kolja, nachdem er begonnen hatte, sich näher mit den Geheimnissen dieses Staats im Staate zu befassen.
    Der bunte Metroplan, der in den Waggons aushing, sollte neugierige Gemüter davon überzeugen, dass sie es mit einem rein zivilen Objekt zu tun hatten. Doch in Wirklichkeit waren diese Linien mit den fröhlichen Farben von einem unsichtbaren Geäst geheimer Tunnel durchzogen, an denen überall wie schwere Trauben Militär- und Regierungsbunker hingen. Ja, manche Strecken standen sogar mit einem Gewirr aus Katakomben in Verbindung, das noch in heidnischer Zeit unter der Stadt angelegt worden war.
    In Koljas früher Jugend, als sein Land noch zu arm war, um seine Kraft und seine Ambitionen mit anderen zu messen, verstaubten die Bunker und

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