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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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wenn sie gar nicht eingeteilt war - gleich wohin, nur um sich abzulenken, um für kurze Zeit zu vergessen, dass ihr Mann womöglich schon in diesem Augenblick irgendwo auf den Schwellen lag, leblos und kalt. Seine typisch männliche Gleichmut gegenüber dem Tod erschien ihr dumm, egoistisch, ja kriminell.
    Der Zufall wollte es, dass sie nach der Arbeit nach Hause gekommen war, um sich umzuziehen. Sie hatte ihre Arme gerade in ihre geflickte Wollstrickjacke gesteckt. Nun verharrte sie, wie sie war. Ihre dunklen Haare mit den grauen Strähnen -sie war noch keine fünfzig - waren zerzaust, in ihren blassbraunen Augen war Angst zu lesen. »Kolja . ist was passiert? Du hast doch Dienst bis spät?«
    Augenblicklich verlor er den Mut, mit der Tür ins Haus zu fallen. Natürlich, diesmal waren andere für die Entscheidung verantwortlich, er konnte ruhigen Gewissens behaupten, man habe ihn dazu gezwungen. Doch nun zögerte er.
    Vielleicht sollte er sie doch lieber erst beruhigen und es ihr später - ganz beiläufig - während des Abendessens mitteilen? »Nur eines bitte ich dich: Lüg mich nicht an«, sagte sie warnend, als sie seinen umherirrenden Blick bemerkte. »Lena«, begann er. »Ich muss dir etwas sagen.« »Es ist doch niemand.« Sie fragte gleich nach dem Wichtigsten, dem Furchtbarsten. Das Wort »umgekommen« wagte sie jedoch nicht auszusprechen, als befürchtete sie, ihre schlimmsten Ahnungen könnten dadurch wahr werden.
    »Nein!Nein .« Homer schüttelte den Kopf und fügte wie nebenbei hinzu: »Ich bin von der Wache befreit. Zur Serpuchowskaja schicken sie mich. Wird schon schiefgehen.« »Aber .« Jelena stockte der Atem. »Aber da ist doch. Sind sie denn schon wieder zurück, die...«
    »Ach was, alles Quatsch«, unterbrach er sie hastig. »Gar nichts ist da.« Die Sache nahm eine ungünstige Wendung: Anstatt ihre Beschimpfungen anzuhören, den mutigen Helden abzugeben und einen günstigen Moment für die Versöhnung abzuwarten, erwartete ihn jetzt eine viel schwerere Prüfung.
    Jelena wandte sich ab, trat an den Tisch, stellte das Salzfass von hier nach dort und strich eine Falte im Tischtuch glatt. »Ich hatte einen Traum.« Sie stockte heiser und räusperte sich.
    »Das hast du doch immer.« »Einen schlechten«, entgegnete sie störrisch. Dann schluch-zte sie plötzlich auf.
    »Was ist? Was soll ich denn. Das ist ein Befehl«, stotterte er und streichelte ihre Finger. Er begriff, dass all seine einstudierten Tiraden jetzt keinen Pfifferling mehr wert waren. »Soll doch der Einäugige selbst gehen!«, rief sie mit wütender, tränenerstickter Stimme und zog die Hand weg. »Oder dieser Teufel mit dem Barett!Aber die können nur rumkommandieren. Was hätte er denn zu verlieren? Der ist doch sowieso mit seinem Gewehr verheiratet!Was weiß er schon?«
    Eine Frau, die man zum Weinen gebracht hat, kann man nur trösten, indem man sich selbst überwindet. Homer schämte sich, und sie tat ihm aufrichtig leid. Aber es wäre zu einfach, jetzt nachzugeben, ihr zu versprechen, er werde den Befehl verweigern, sie zu beruhigen, ihre Tränen zu trocknen - um dann für alle Zeiten dieser verpassten Chance nachzutrauern. Der letzten Chance vielleicht, die er in seinem ohnehin schon viel zu langen Leben haben würde.
    Also schwieg er. Es war Zeit, die Offiziere zusammenzurufen und zu instruieren. Doch der Oberst saß immer noch in Istomins Büro. Den Zigarettenrauch, der ihn immer so gestört und gleichzeitig in Versuchung geführt hatte, nahm er gar nicht mehr wahr.
    Während der Stationsvorsteher mit dem Finger über seinen betagten Metroplan fuhr und nachdenklich vor sich hin flüsterte, versuchte Denis Michailowitsch etwas zu begreifen: Was steckte hinter Hunters geheimnisvollem Auftauchen an der Sewastopolskaja? Wieso hatte er sich ausgerechnet hier niedergelassen, und warum trug er in der Öffentlichkeit fast immer seinen Helm? All das konnte nur bedeuten, dass Istomin recht hatte: Hunter war auf der Flucht, und er hatte sich den südlichen Außenposten als Versteck ausgesucht. Dort ersetzte er eine komplette Brigade und war selbst unersetzlich geworden. Wer auch immer nun seine Herausgabe forderte, welchen Preis man auf seinen Skalp auch ausgesetzt hatte, weder Istomin noch der Oberst hätten ihn jemals ausgeliefert.
    Das Versteck war ideal. An der Sewastopolskaja gab es keine Fremden, und wenn die hiesigen Karawanenhändler sich auf den Weg in die »Große Metro« machten, so hielten sie, im Unterschied zu den

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