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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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eine Fata Morgana in der Ferne schwebten, jetzt nicht zu Papier brachte, konnten sie sich jederzeit wieder in Luft auflösen, und wer wusste, wie lang er dann noch auf der Düne sitzen und zum Horizont starren musste, in der Hoffnung, dass aus winzigen Sandkörnern und flirrender Luft erneut sein persönlicher Elfenbeinturm entstand?
    Dazu hatte er vielleicht keine Zeit mehr.
    Ein ironisches Lächeln auf den Lippen, dachte Homer: Ganz gleich, was das Mädchen auch redete, es war der Blick in die leeren Augenhöhlen der Ewigkeit, der ihn zum Handeln zwang. Dann musste er an ihre geschwungenen Augenbrauen denken, zwei helle Strahlen in ihrem dunklen, verschmierten Gesicht, an ihre zerkauten Lippen, ihre struppigen, strohblonden Haare - und er lächelte erneut.
    Morgen auf dem Markt würde er noch etwas anderes suchen müssen, dachte Homer, während er einschlief.
    An der Pawelezkaja war die Nacht immer unruhig. Der Schein stinkender Fackeln zuckte über die verrußten Marmorwände, die Tunnel atmeten unruhig, nur am Fuß der Rolltreppe saßen ein paar Gestalten und unterhielten sich kaum hörbar. Die Station stellte sich tot. Jedermann hoffte, dass es die wilden Kreaturen von oben nicht nach Aas gelüstete.
    Doch manchmal entdeckten die neugierigsten dieser Tiere den tief hinab führenden Einstieg und rochen frischen Schweiß, hörten das gleichmäßige Schlagen menschlicher Herzen, spürten, dass warmes Blut durch ihre Gefäße strömte. Und manchmal kamen sie auch herunter.
    Homer war endlich in Halbschlaf gesunken, und die erregten Stimmen von der anderen Seite des Bahnsteigs drangen nur mühsam und verzerrt in sein Bewusstsein. Doch dann riss ihn das Rattern eines Maschinengewehrs mit einem Mal aus seinem Dämmerzustand. Der Alte sprang auf und tastete auf dem Boden der Draisine nach seiner Waffe.
    Zu den ohrenbetäubenden MG-Salven gesellten sich sogleich Schüsse aus mehreren Sturmgewehren. Das Rufen der Wachleute klang jetzt nicht mehr nur nervös, sondern entsetzt. Was immer es war, worauf sie aus allen Kalibern schossen, sie schienen ihm dadurch nicht den geringsten Schaden zuzufügen. Von organisierter Abwehr eines beweglichen Ziels konnte keine Rede sein - hier feuerten Leute wild durcheinander und dachten nur noch daran, ihre eigene Haut zu retten.
    Endlich hatte Homer seine Kalaschnikow gefunden, doch wagte er es nicht, den Bahnsteig zu betreten. Gerade noch widerstand er der Versuchung, den Motor anzuwerfen und sich aus dem Staub zu machen - egal wohin. Er blieb auf der Draisine und reckte den Hals, um durch die Säulenreihe hindurch den Ort des Kampfes zu beobachten.
    Plötzlich unterbrach ein durchdringendes Kreischen aus überraschend ge ringer Entfernung das Brüllen und Fluchen der Wachleute. Das Maschinengewehr stockte, jemand schrie furchtbar auf und verstummte dann sofort, als habe man ihm den Kopf abgerissen. Wieder knatterten Sturmgewehre los, doch diesmal nur ganz vereinzelt und für kurze Zeit. Erneut ertönte das Kreischen wie es schien, jetzt etwas weiter entfernt. Und plötzlich antwortete dem Wesen, das diesen Laut von sich gegeben hatte, ein Echo und zwar in unmittelbarer Nähe der Draisine.
    Homer zählte bis zehn und ließ mit zitternden Händen den Motor an. Jeden Moment würden seine Gefährten zurückkommen, und dann würden sie losfahren - er tat das jetzt für sie, nicht für sich selbst. Die Draisine vibrierte, begann zu rauchen, der Motor lief sich warm, da blitzte zwischen den Säulen etwas unfassbar schnell auf. So blitzartig verschwand es wieder aus dem Blickfeld, dass in Homers Kopf erst gar kein Bild davon entstand.
    Der Alte klammerte sich an das Geländer, stellte einen Fuß aufs Gaspedal und holte tief Luft. Wenn sie in zehn Sekunden nicht auftauchten, würde er alles zurücklassen und…
    Ohne zu begreifen warum, machte er einen Schritt auf den Bahnsteig und hielt sein nutzloses Sturmgewehr vor sich hin. Er wollte einfach nur sichergehen, dass er seinen Leuten nicht mehr helfen konnte. Er drückte sich gegen eine Säule und warf einen Blick in den Mittelgang. Er wollte schreien, doch ihm fehlte die Luft dazu.
    Sascha hatte immer gewusst, dass die Welt sich nicht nur auf die beiden Stationen beschränkte, an denen sie bisher gelebt hatte. Doch nie hätte sie gedacht, dass diese Welt so wunderschön sein könnte. Selbst die langweilige, ja trostlose Kolomenskaja war ihr wie ein behagliches Zuhause vorgekommen, bis in den kleinsten Winkel vertraut. Die Awtosawodskaja -

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