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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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gefallen hatte: Wie ein Metronom hatte dieses monotone Läuten Ordnung in die Kakophonie seiner Gedanken gebracht, seinen Kopf leergeräumt, den galoppierenden Puls beruhigt.
    Die Minuten jedoch, die dieses Klingeln scheibchenweise herunterschnitt, glichen einander so sehr, dass Artjom sich fühlte wie in einer Zeitfalle, aus der er nicht herauskommen würde, bis es aufhörte. Im Mittelalter hatte es so eine Folter gegeben: Man hatte den Verbrecher nackt ausgezogen und ihn unter ein Fass gesetzt, aus dem unablässig Wasser auf seinen Kopf tropfte. Die Folge war, dass der arme Kerl allmählich den Verstand verlor. Wo die Streckbank versagte, lieferte einfaches Wasser hervorragende Resultate.
    An die Telefonleitung gebunden, wagte es Artjom nicht, sich auch nur eine Sekunde zu entfernen. Die ganze Schicht über versuchte er nicht zu trinken, damit ihn nicht ein dringendes Bedürfnis von dem Apparat weglockte. Tags zuvor hatte er es nicht ausgehalten, war aus dem Zimmer geschlüpft, hastig zum Abtritt gelaufen und danach sofort wieder zurückgeeilt. Noch auf der Schwelle hatte er hingehorcht -und es war ihm eiskalt den Rücken hinabgelaufen: Die Frequenz stimmte nicht, das Signal kam jetzt schneller, nicht so langsam wie vorher. Das konnte nur eines bedeuten: Der Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte, war eingetreten, als er fort gewesen war. Ängstlich blickte er zur Tür, ob jemand vielleicht zusah, wählte eilig neu und drückte das Ohr gegen den Hörer.
    Aus dem Apparat drang ein Klicken, und das Läuten begann erneut von vorne, im gewohnten Rhythmus. Seither war das Besetztzeichen nicht wieder aufgetreten, und abgehoben hatte auch niemand. Doch den Hörer hinzulegen wagte Artjom nie wieder, nur ab und zu führte er ihn von dem einen, schon ganz heißen Ohr an das andere, krampfhaft bemüht, sich nicht zu verzählen.
    Die Obrigkeit hatte er von dem Vorfall nicht unterrichtet, auch war er sich selbst gar nicht mehr sicher, ob er damals wirklich etwas anderes gehört hatte als den ewig gleichen Rhythmus. Sein Befehl lautete: Anrufen, und schon seit einer Woche lebte er nur für diese Aufgabe. Jeglicher Verstoß würde ihn vors Tribunal bringen, und dort machte man keinen Unterschied zwischen einem Fehler und Sabotage.
    Das Telefon half ihm zudem sich zu orientieren, wie lange er noch zu sitzen hatte. Artjom hatte keine eigene Uhr, doch als ihn der Kommandeur einwies, hatte er auf dessen Uhr erkennen können, dass sich das Signal alle fünf Sekunden wiederholte. Zwölf Töne waren also eine Minute, eine Stunde, 13 680 eine Schicht. Wie kleine Sandkörner schienen sie aus einem riesigen Glaskolben in ein zweites, bodenloses Gefäß zu rieseln. Und in dem engen Hals dazwischen steckte Artjom und lauschte der Zeit.
    Den Hörer legte er nur deshalb nicht hin, weil der Kommandeur jeden Augenblick vorbeikommen konnte, um zu kontrollieren. Andernfalls . Was er da tat, war absolut sinnlos. Am anderen Ende der Leitung war offenbar niemand mehr am Leben. Wenn Artjom die Augen schloss, sah er wieder das gleiche Bild .
    Er sah das von innen verbarrikadierte Büro des Stationsvorstehers und diesen, das Gesicht auf die Tischplatte gedrückt, die Makarow noch in der Hand. Mit seinen durchschossenen Ohren konnte er das Signal des Telefons nicht mehr hören. Die da draußen hatten die Tür nicht einbrechen können, doch durch die Schlüssellöcher und Türspalten drang das verzweifelte Rasseln des alten Apparats nach außen, kroch über den Bahnsteig, auf dem all die aufgeblähten Leichen lagen . Eine Zeit lang hatte man das Telefon gar nicht hören können, so undurchdringlich war der Lärm der Menge, das Schlurfen der Schritte, das Weinen der Kinder, doch jetzt störte kein anderes Geräusch die Ruhe der Toten. Nur die allmählich ersterbenden Notstromaggregate verbreiteten noch ihr rotes Blinklicht.
    Das Läuten.
    Wieder. Tausendfünfhundertdreiundsechzig. Tausendfünfhundertvierundsechzig.
    Keine Reaktion.
11 - GESCHENKE
    Dein Bericht!« Man konnte sagen, was man wollte: Für eine Überraschung war der Kommandeur immer gut. In der Garnison erzählte man sich Legenden über ihn. Einst Söldner, war er bekannt für seinen geschickten Umgang mit Hieb- und Stichwaffen sowie berüchtigt dafür, dass er sich jederzeit in nichts auflösen konnte. Damals, noch bevor er sich an der Sewastopolskaja niederließ, hatte er die Außenposten feindlicher Stationen im Alleingang niedergemetzelt, indem er kleinste Unaufmerksamkeiten der

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