Metro2033
der bis dahin geschwiegen und irgendein Kraut geraucht hatte, von dem einem die Augen tränten. »Tja, Kleiner, dich haben sie ganz schön zugerichtet. Willst du einen Schluck?« Aus einem Metallkasten, der auf dem Boden der Draisine stand, holte er eine halbleere Flasche mit einer trüben Brühe darin, schüttelte sie und reichte sie Artjom.
Dieser sprach sich Mut zu und nahm einen Schluck. Es rieb wie Sandpapier, doch dafür lockerte sich der innere Schraubstock ein wenig, in dem er sich seit Stunden befand. »Dann seid ihr also ... Rote?«, fragte er vorsichtig.
»Wir sind Kommunisten. Revolutionäre!«, erwiderte Bansai stolz.
»Von der Roten Linie?«
»Nein, wir gehören zu uns selber. Aber das erklärt dir am besten der Genosse Kommissar. Er ist bei uns für Ideologie zuständig.«
Nach einiger Zeit kam Genosse Russakow mit zufriedenem Gesicht zurück. »Alles ruhig. Jetzt können wir Rast machen«, sagte er.
Es gab nichts, womit man ein Feuer hätte machen können. Also hängten sie einen Teekessel über einen Spirituskocher und teilten ein Stück kalte Schweinskeule miteinander. Für Revolutionäre ernährten sie sich erstaunlich gut.
»Nein, Genosse Artjom, wir kommen nicht von der Roten Linie«, erklärte Genosse Russakow ernst, nachdem Bansai ihm Artjoms Frage mitgeteilt hatte. »Dadurch, dass Genosse Moskwin auf die Revolution in der gesamten Metro verzichtet, sich von der Interstationale losgesagt und der revolutionären Tätigkeit seine Unterstützung versagt hat, hat er eine Stalin'sche Position eingenommen. Er ist ein Renegat und Opportunist. Die Genossen und ich vertreten dagegen eher die trotzkistische Linie. Auch eine Parallele zu Castro und Che Guevara lässt sich ziehen. Deshalb tragen wir ihn auch in unserem Banner.« Er deutete mit großer Geste auf den schlapp herabhängenden Lappen. »Wir sind der revolutionären Idee treu geblieben, im Gegensatz zu dem Kollaborateur Moskwin. Die Genossen und ich verurteilen seine Linie.«
»Aha, und von wem kriegst du dein Benzin?«, warf Onkel Fjodor ein, der weiter seine Selbstgedrehte paffte.
Genosse Russakow schoss in die Höhe und sah Onkel Fjodor vernichtend an. Dieser lachte höhnisch auf und vergrub sich tiefer in seiner Jacke.
Artjom begriff nichts von dem, was der Kommissar gesagt hatte, außer der Hauptsache: Mit den Roten, die Michail Porfirjewitschs Darm auf eine Stange wickeln und ihn selbst erschießen wollten, hatten diese hier wenig gemein. Das beruhigte ihn. Nun wollte er einen guten Eindruck machen. »Stalin, das ist doch der im Mausoleum, nicht?«, sagte er.
Offensichtlich hatte er es aber damit zu weit getrieben. Wütend verzerrten sich die ebenmäßige Gesichtszüge von Genosse Russakow, Bansai wandte sich empört ab, und sogar Onkel Fjodor runzelte die Stirn. Hastig korrigierte sich Artjom: »Ach nein, im Mausoleum, das ist ja Lenin!«
Die tiefen Falten auf Genosse Russakows Stirn glätteten sich wieder. »An Ihnen haben wir noch viel zu arbeiten, Genosse Artjom!«
Artjom gefiel der Gedanke gar nicht, dass Genosse Russakow an ihm arbeiten würde. Von Politik hatte er keine Ahnung - aber allmählich begann sie ihn zu interessieren. Er riskierte einen neuen Vorstoß. »Und warum seid ihr gegen die Faschisten? Also, ich bin ja auch gegen die, aber ihr seid doch Revolutionäre und ...«
Genosse Russakow knirschte wild mit den Zähnen. »Das bekommen diese Schweine von uns wegen Spanien, Ernst Thälmann und dem Zweiten Weltkrieg!«
Obwohl Artjom wieder nichts verstanden hatte, verzichtete er darauf, ein weiteres Mal seine Ahnungslosigkeit unter Beweis zu stellen.
Heißes Wasser machte die Runde, und alle lebten auf. Bansai begann Onkel Fjodor irgendwelche idiotischen Fragen zu stellen, einfach nur um ihn zu ärgern, während Maxim sich näher zu Genosse Russakow setzte und ihn mit gedämpfter Stimme fragte: »Sagen Sie, Genosse Russakow, was sagt der Marxismus-Leninismus über kopflose Mutanten? Mich beschäftigt das schon seit geraumer Zeit. Ich will ideologisch gefestigt sein, aber hier habe ich eine Lücke.« Mit schuldbewusstem Lächeln zeigte er seine blendend weißen Zähne.
Es dauerte ein wenig, bis der Kommissar antwortete. »Weißt du, Genosse Maxim, das ist keine einfache Frage.«
Auch Artjom hätte gerne gewusst, was die Mutanten aus politischer Sicht darstellten und ob sie wirklich existierten. Doch Genosse Russakow schwieg, und Artjoms Gedanken glitten wieder in jenes Fahrwasser zurück, aus dem sie dieser
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