Metro2033
Chance, jetzt oder nie! Wenn du es jetzt nicht riskierst, wirst du dein ganzes Leben lang nur auf fremde Ratten setzen. Und deshalb habe ich beschlossen: Wenn schon spielen, dann gleich im großen Stil. Natürlich will ich dir helfen, aber das ist, mit Verlaub, nicht die Hauptsache.« Mark senkte die Stimme. »Weißt du, ich wollte einfach mal gegen diesen Schnauzbart da spielen. Als ich ihm das eröffnet habe, ist er so wütend geworden, dass er den Schiedsrichter gezwungen hat, meine Ratte außer der Reihe zuzulassen.« Er schwieg eine Weile, dann fügte er hinzu: »Allein dafür lohnt es sich, ein Jahr lang Latrinen zu putzen.«
»Aber deine Ratte wird sicherlich verlieren«, versuchte ihn Artjom ein letztes Mal zur Vernunft zu bringen.
Mark blickte Artjom aufmerksam an, dann lächelte er und sagte: »Und wenn nicht?«
Streng musterte der Schiedsrichter das versammelte Publikum, glättete die grau melierten Haare, räusperte sich bedeutsam und begann die Namen der Ratten zu verlesen, die an dem Rennen teilnahmen. Raketa kam zuletzt, doch Mark machte das nichts aus. Den meisten Applaus bekam natürlich Pirat, während bei Raketas Namen nur Artjom Beifall klatschte, da Marks Hände den Käfig hielten. Noch hoffte Artjom auf ein Wunder, das ihn vor dem ruhmlosen Ende in einer stinkenden Kloake bewahrte.
Dann gab der Schiedsrichter aus seiner Makarow einen Blindschuss ab, und die Besitzer öffneten ihre Käfige. Raketa rannte als Erste in die Freiheit, so dass Artjoms Herz einen Freudensprung machte, doch als schließlich auch die übrigen Ratten den Gang entlang stürmten, mal schneller, mal langsamer, machte Raketa ihrem stolzen Namen keine Ehre mehr: Bereits fünf Meter hinter dem Start blieb sie in einer Ecke stehen und rührte sich nicht mehr vom Fleck. Die Ratten anzutreiben war laut Spielregel streng verboten. Artjom sah zaghaft zu Mark hinüber, denn er glaubte, jener würde zu toben beginnen oder aber gramgebeugt zu Boden sinken. Aber mit seinem strengen, stolzen Gesicht erinnerte Mark eher an den Kapitän eines Kreuzers, der den Befehl gab, das eigene Schiff zu versenken, damit es dem Feind nicht in die Hände fiel - über einen solchen hatte Artjom einmal in einem zerfledderten Buch aus der WTWCft-Bibliothek gelesen.
Nach ein paar Minuten kamen die ersten Ratten am Ziel an. Es siegte Pirat, der Name des Zweiten war unverständlich, Puschok wurde Dritter. Artjom sah zum Schiedsrichtertisch. Der bärtige Alte wischte sich mit dem gleichen Lappen, mit dem er seine Brille gereinigt hatte, den schweißnassen Schädel und besprach das Ergebnis mit dem Schiedsrichter. Artjom hoffte schon, man habe sie vergessen, doch im selben Augenblick schlug sich der Alte an die Stirn, lächelte sanft und winkte Mark zu sich.
Artjom fühlte sich entfernt an jenen Moment vor seiner Hinrichtung erinnert. Dann, während er Mark zum Schiedsrichtertisch folgte, tröstete er sich mit dem Gedanken, dass ihm jetzt immerhin der Weg auf das Gebiet der Hanse offenstand. Er musste nur noch eine Möglichkeit finden, zu fliehen. Zunächst aber erwartete ihn seine Schmach.
Der Schnauzbart bat sie ausgesucht höflich, das Podium zu betreten. Dann wandte er sich an das Publikum, schilderte kurz den Inhalt der Wette und erklärte mit donnernder Stimme, dass beide Versager nun, wie vereinbart, zu einem Jahr Zwangsarbeit in den sanitären Anlagen, beginnend mit dem heutigen Tag, abgeführt würden. Gleichsam aus dem Nichts tauchten zwei Grenzer der Hanse auf, nahmen Artjom das Gewehr ab, versicherten ihm, sein Gegner für das nächste Jahr sei nicht gefährlich, und versprachen, ihm die Waffe am Ende zurückzugeben. Dann führten die Soldaten sie unter dem Pfeifen und Heulen der Menge zur Ringstation.
Die Pawelezkaja-Slalion der Hanse machte einen sehr seltsamen Eindruck: Die Decke war hier niedrig, Säulen gab es überhaupt nicht, stattdessen in regelmäßigen Abständen Durchgänge in der Wand, die genauso breit waren wie die Abstände dazwischen. Es schien, als sei die erste Pawelezkaja den Baumeistern leichtgefallen, als sei der Untergrund dort weich gewesen, so dass man problemlos hineingraben konnte, während man hier auf hartes, widerspenstiges Gestein gestoßen war, durch das man sich nur mit großer Mühe gefressen hatte. Dennoch herrschte hier keine so schwermütige, beklemmende Stimmung wie etwa an der Twerskaja, vielleicht weil es ungewöhnlich viel Licht gab, die Wände mit einfachen Ornamenten geschmückt waren und zu beiden
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