Metro2033
vorbeigegangen. Die haben da so eine Art Holzblock, wie früher auf dem Roten Platz, wo man den Leuten die Köpfe abhaut. Ein riesiges Beil steckt drin, überall nur Blut und ein paar aufgespießte Köpfe. Mir wäre beinahe übel geworden. Nee, denk ich mir, du musst die Beine in die Hand nehmen, solange sie dich noch nicht ausgestopft haben.«
»Sag schon, was waren das für Typen?«, unterbrach der Heisere, der den Scheinwerfer bedient hatte.
»Ich hab später die anderen gefragt, mit denen ich die Waggons beladen habe. Und weißt du was? Es waren Satanisten. Die hatten offenbar beschlossen, dass das Ende der Welt schon da ist, und die Metro ist das Tor zur Hölle. Er hat noch von irgendwelchen Kreisen gesprochen, ich weiß nicht mehr ... Jedenfalls glaubten die Typen, dass die Hölle selbst direkt unter ihnen liegt und der Teufel dort auf sie wartet, man muss nur zu ihm durchdringen. Und so buddelten sie eben. Seither sind vier Jahre vergangen. Vielleicht sind sie ja schon angekommen.«
»Wo ist das?«, fragte der MG-Schütze.
»Keine Ahnung, ich schwör's dir. Schau, wie ich da rausgekommen bin: Die anderen haben mich in einen Waggon geworfen, als die Wachen gerade nicht hinguckten, und dann haben sie mich mit Erde bedeckt. Dann wurde ich lange hin und her gefahren, bis sie mich schließlich rausgeschüttet haben. Ich bin irgendwo tief runtergefallen und wurde ohnmächtig. Als ich wieder aufwachte, bin ich ein Stück weitergekrochen, kam bei irgendwelchen Gleisen an, denen bin ich dann gefolgt. Diese Gleise kreuzten sich dann mit anderen, und genau da war ich wieder weg. Irgendjemand muss mich dann aufgehoben haben, denn als ich aufwachte, war ich an der Dubrowka. Und der gute Mensch, der mich dahin gebracht hatte, war schon wieder verschwunden. Woher soll ich also wissen, wo das alles passiert ist?«
Dann kam das Gespräch darauf, dass Gerüchten zufolge an der Ploschtschad Iljitscha und an der Rimskaja eine Epidemie ausgebrochen war, die viele Menschen dahingerafft hatte, doch Artjom hörte nicht richtig hin. Der Gedanke, dass die Metro der Vorhof zur Hölle war, oder sogar ihr erster Kreis, hypnotisierte ihn. Vor seinen Augen sah er dieses unheimliche Bild: Hunderte von Menschen liefen umher wie Ameisen und hoben von Hand eine endlose Grube aus, einen Schacht ins Nichts. Und auf einmal drang eine der Brechstangen seltsam leicht in den Boden ein, brach durch - und nun würden Metro und Hölle endgültig eins.
Dann musste er daran denken, dass diese Station hier fast genauso lebte wie die WDNCh: Ständig wurde sie von wilden Kreaturen attackiert und musste diesem Ansturm ganz allein standhalten. Wenn die Pawelezkaja fiel, würden sich diese Monster über die ganze Linie ausbreiten. Also war das Schicksal der WDNCh doch kein Einzelfall, wie er immer geglaubt hatte. Wer weiß, wie viele andere Stationen in der Metro noch ihre Linien schützten, auch wenn sie eigentlich gar nicht für das Allgemeinwohl, sondern nur um ihre eigene Haut kämpften? Natürlich bestand immer die Möglichkeit zurückzuweichen, sich ins Zentrum zurückzuziehen, die Tunnel zu sprengen. Doch dann würde ihr Lebensraum immer enger werden - bis sich die Überlebenden schließlich auf einem winzigen Fleck zusammendrängten und sich gegenseitig an die Kehle gingen.
Aber wenn die WDNCh gar nicht so besonders war, wenn es noch andere Zugänge zur Oberfläche gab, die man nicht schließen konnte, so hieß das ... Wie erstarrt hielt Artjom inne, verbot sich, weiter zu denken. Was sich da meldete, war nur die verräterische, schmeichelnde Stimme der Schwäche, die ihm Argumente lieferte, seine Reise abzubrechen, sein Ziel nicht weiter zu verfolgen. Dem durfte er nicht nachgeben, dieser Weg führte in die Sackgasse.
Um sich abzulenken, wandte er sich erneut dem Gespräch der anderen zu. Sie diskutierten gerade die Chancen eines gewissen Puschok auf den Sieg, dann begann der Heisere zu berichten, irgendwelche Irren hätten Kitai-gorod überfallen und einen Haufen Leute niedergemacht. Die herbeigeeilten Kalugaer Brüder hätten sie jedoch besiegt, und die Killer hätten sich zur Taganskaja zurückgezogen. Artjom wollte schon einwenden, nicht zur Taganskaja, sondern zur Tretjakowskaja, doch da mischte sich ein sehniger Typ ein, dessen Gesicht nicht zu erkennen war, und behauptete, die Kalugaer seien von Kitai-gorod vertrieben worden und die Station werde jetzt von einer neuen Gruppierung kontrolliert, von der bisher niemand etwas gehört habe.
Weitere Kostenlose Bücher