Metro2033
irgendwelche Stein- oder Betonbrocken, die er für lebende Wesen hielt ... Unten in der Metro halfen ihm seine scharfen Sinne weiter, hier oben dagegen bewegte er sich in einer unbekannten, trügerischen Welt, hier war alles anders, das Leben funktionierte nach anderen Regeln. Sich auf seine fünf Sinne und seine Intuition zu verlassen war riskant.
Artjom versuchte so schnell und unbemerkt wie möglich die nächste Straße zu überqueren. Auf der anderen Seite angekommen, drückte er sich gegen die Mauer eines Hauses, wartete eine Sekunde und blickte wieder um die Ecke. Ihm stockte der Atem. Die Gestalten bewegten sich, und zwar auf erstaunliche Weise: Eines der Tiere streckte den Kopf und wiegte ihn hin und her, wie wenn es eine Witterung aufnahm, dann ließ es sich plötzlich auf alle viere herab und verschwand mit einem riesigen Satz hinter der nächsten Straßenecke. Sekunden später folgten die anderen. Artjom zog den Kopf zurück, setzte sich auf den Boden und schnappte nach Luft.
Es bestand kein Zweifel mehr: Sie verfolgten ihn. Mehr noch, sie schienen ihn zu führen, indem sie sich auf beiden Seiten des Prospekts parallel zu ihm bewegten. Sie warteten ab, bis er den nächsten Häuserblock passiert hatte, tauchten in der Querstraße auf, um sich zu überzeugen, dass er nicht vom Weg abgekommen war, und setzten die stumme Jagd fort. Aber warum verbargen sie sich in diesen dunklen Seitengassen? Artjom erinnerte sich, dass Melnik ihm verboten hatte, auch nur eine davon zu betreten. War dies der Grund?
Um sich zu beruhigen, wechselte Artjom das Magazin seines Gewehrs, entsicherte und schaltete die Laserzielvorrichtung ein und wieder aus. Er war gut bewaffnet, und anders als in der Bibliothek durfte er hier gefahrlos schießen. Es war also ganz einfach, sich vor diesen Tieren zu schützen. Er atmete tief durch und erhob sich. Was auch immer geschah, der Stalker hatte ihm verboten, stehen zu bleiben oder lange zu zögern. Er musste sich beeilen. Das musste man hier, an der Oberfläche, immer!
Am Ende des nächsten Häuserblocks verlangsamte Artjom seinen Schritt und blickte sich um. Die Straße verbreiterte sich und ging in eine Art Platz über. Ein Teil davon war durch einen Zaun abgetrennt und sah aus wie ein Park. Auf mächtigen, knorrigen Stämmen prangten ausladende Kronen, die bis an den vierten Stock des nächstgelegenen Gebäudes heranreichten -vermutlich waren es diese Parks, aus denen die Stalker das Holz mitbrachten, mit dem große Teile der Metro beheizt und beleuchtet wurden. In den Lücken zwischen den Baumstämmen zeigten sich flüchtig seltsame Schatten, und weiter hinten flackerte ein schwaches Licht, das Artjom für die Flamme eines Lagerfeuers gehalten hätte, hätte es nicht so seltsam grünlich geleuchtet. Das Gebäude selbst machte einen unheilvollen Eindruck. Es schien bereits mehrfach Schauplatz heftiger und blutiger Kämpfe gewesen zu sein. Die oberen Etagen waren eingestürzt, an vielen Stellen gab es schwarze Einschusslöcher, und von einigen Räumen standen nur noch zwei Wände, so dass man durch die leeren Fenster in den trüben Nachthimmel sehen konnte.
Auf der anderen Seite des Platzes traten die Gebäude weit auseinander. Ein breiter Boulevard kreuzte die Straße. Dahinter erhoben sich aus der Dunkelheit wie Wachttürme die ersten Hochhäuser des Neuen Arbat. Der Eingang zur Metrostation Arbatskaja musste sich ganz in der Nähe auf der linken Seite befinden. Artjoms Blick streifte nochmals den düsteren Park. Melnik hatte recht gehabt: In diesem Dickicht den Zugang zur Metro zu suchen war keine gute Idee. Je länger er das schwarze Gestrüpp betrachtete, desto deutlicher schien er zwischen den Wurzeln der gigantischen Bäume die gleichen unheimlichen Gestalten auszumachen, die ihm zuvor gefolgt waren.
Ein Windstoß erfasste die Baumkronen, und die mächtigen Äste begannen schwerfällig zu knarren. Von Ferne ertönte ein lang gezogenes Heulen. Der Wald schwieg, aber nicht etwa, weil er tot war. Diese Stille entsprach der Lautlosigkeit von Artjoms geheimnisvollen Verfolgern -auch der Wald schien auf etwas zu warten.
Artjom hatte das Gefühl, wenn er noch weiter so schamlos die Untiefen dieses Parks betrachtete, werde die Strafe nicht ausbleiben. Also nahm er das Gewehr bequemer, blickte sich um, ob ihm die Kreaturen nicht zu nah gekommen waren, und eilte weiter.
Doch schon nach wenigen Sekunden blieb er erneut stehen, gebannt von dem Anblick, der sich ihm nun bot. Er befand
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