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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verzerrt eingeprägt haben.
    Eines dreijährigen? Auf dem Foto war ein anderes Alter angegeben, doch auch das hatte nichts zu bedeuten. Es stand ja kein Datum daneben. Das Bild konnte zu jedem Zeitpunkt entstanden sein, nicht unbedingt erst wenige Tage, bevor die Familie die Wohnung für immer hatte verlassen müssen. Vielleicht ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr davor. Dann stimmte das Alter des Jungen auf dem Foto mit seinem überein. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst mit seiner Mutter auf dem Foto abgebildet war, wäre dann ungleich höher. Aber das Foto konnte auch drei oder fünf Jahre zuvor entstanden sein - ja, auch das war möglich ...
    Dann kam ihm ein anderer Gedanke. Er riss die Tür zum Badezimmer auf, blickte sich um und fand endlich das, was er gesucht hatte. Der Spiegel war mit einer so dicken Staubschicht bedeckt, dass nicht einmal das Licht der Taschenlampe darin zu sehen war. Mit einem Handtuch, das die Bewohner an einem Haken zurückgelassen hatten, rieb er eine Stelle frei. Durch dieses Loch erblickte er im Schein der Taschenlampe sein Spiegelbild mit Gasmaske und Helm.
    Das hagere, ausgemergelte Gesicht war hinter der Kunststoffmaske nicht zu sehen, doch kam es ihm so vor, als ähnelten seine dunklen, tief eingesunkenen Augen denen des Jungen. Artjom hielt sich das Foto vor das Gesicht, betrachtete aufmerksam die Züge des Jungen und blickte dann wieder in den Spiegel. Erneut leuchtete er den Abzug an und verglich ihn nochmals mit dem Gesicht hinter der Gasmaske. Er versuchte sich zu erinnern, wie es das letzte Mal ausgesehen hatte, als er vor dem Spiegel gestanden war. Wann war das gewesen? Kurz vor seinem Aufbruch an der WDNCh, doch wie viel Zeit war seither vergangen? Nach dem, was er von seinem Gesicht im Spiegel erkennen konnte, mussten es Jahre gewesen ein. Wenn er doch diese verdammte Maske abnehmen könnte! Natürlich veränderten sich Menschen oft bis zur Unkenntlichkeit, doch bewahrte jedes Gesicht zumindest etwas, was an die fernen Jahre der Kindheit erinnerte.
    Es blieb nur eines: Zur WDNCh zurückzukehren und Suchoj zu fragen, ob die Frau auf diesem Stück Papier jener Person ähnelte, die ihm vor vielen Jahren - im Angesicht des Untergangs ihrer Station - das Leben ihres Kindes in die Hände gelegt hatte. Artjoms Mutter. Suchoj würde sie erkennen. Er hatte ein professionelles Gedächtnis. Er würde sagen können, ob sie die Frau auf dem Foto war oder nicht.
    Noch einmal betrachtete Artjom das Bild, dann streichelte er mit einer Zärtlichkeit, die ihn selbst überraschte, das Gesicht der Frau, legte das Foto zurück in das Buch und steckte dieses in seinen Rucksack. Seltsam, dachte er, erst vor ein paar Stunden hatte er sich im größten Wissensspeicher des Kontinents befunden und hatte aus Millionen unterschiedlicher, zum Teil unglaublich kostbarer Bücher die freie Auswahl gehabt. Doch hatte er sie weiter auf den Regalen verstauben lassen, ja nicht einmal der Gedanke war ihm gekommen, sich an den
    Schätzen der Bibliothek zu bereichern. Stattdessen steckte er nun ein ganz einfaches Bilderbuch ein - und fühlte sich doch so, als hätte er den größten aller irdischen Schätze gefunden.
    Er ging in den Flur zurück, um weitere Bücher aus dem Regal durchzublättern und vielleicht in den Schränken nach Fotoalben zu suchen. Doch als er zum Fenster blickte, bemerkte er dort eine Veränderung. Eine leichte Unruhe ergriff ihn. Etwas stimmte nicht. Er trat näher heran und begriff: Die Nacht hatte eine andere Farbe bekommen, ein gelbrosa Ton hatte sich in das Grau gemischt. Es wurde allmählich hell.
    Die Tiere hatten sich wieder vor dem Eingang versammelt, wagten sich jedoch nicht hinein. Der Kadaver ihres Artgenossen war nirgends zu sehen. Vielleicht hatte ihn das geflügelte Monster fortgeschafft, oder sie hatten ihn selbst in Stücke gerissen. Artjom verstand nicht, was sie davon abhielt, die Wohnung zu erstürmen, auch wenn es ihm natürlich nur recht war.
    Würde er es noch vor Sonnenaufgang bis zur Smolenskaja schaffen? Und würde er seine Verfolger abhängen können? Natürlich konnte er auch einfach in der verbarrikadierten Wohnung bleiben. Vor den Sonnenstrahlen würde er sich ins Badezimmer zurückziehen. Dort konnte er abwarten, bis die Helligkeit die Räuber vertrieben hatte, und mit Einbruch der Dunkelheit seinen Weg fortsetzen. Doch wie lange würde sein Schutzanzug halten? Wie lange reichte der Filter seiner Gasmaske? Und was würde Melnik unternehmen, wenn

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