Metro2033
er ihn nicht zur rechten Zeit am vereinbarten Ort antraf?
Artjom trat an die Wohnungstür und horchte. Stille. Vorsichtig schob er den Schrank beiseite und öffnete langsam die Tür. Auf dem Treppenabsatz war niemand, doch als er mit der Taschenlampe die Treppe absuchte, bemerkte er etwas, was vorher nicht da gewesen war. Oder hatte er einfach nicht darauf geachtet?
Eine dicke Schleimschicht bedeckte die Stufen. Es sah so aus, als wäre jemand soeben dort entlanggekrochen. Zum Glück lief die Spur an der Wohnungstür, hinter der sich Artjom die ganze Zeit befunden hatte, vorbei, doch das war nur ein geringer Trost.
Auch dieses Haus war also nicht so leer, wie er gedacht hatte. Schlagartig war Artjom die Lust vergangen, noch weiter in der Wohnung zu bleiben oder gar zu schlafen. Er hatte nur eine Möglichkeit: Er musste die hungrigen Bestien verjagen und versuchen, die Smolenskaja zu erreichen. Und das, bevor ihm die Sonne die Augen ausbrannte und jene Ungeheuer weckte, von denen Melnik gesprochen hatte.
Diesmal zielte er nicht sorgfältig, sondern versuchte einfach so viele Tiere wie möglich zu treffen. Zwei von ihnen brüllten auf und fielen zu Boden, die anderen verschwanden in den Gassen. Der Weg schien frei zu sein.
Artjom stürzte die Treppe hinunter und blickte vorsichtig aus der Tür, ob nicht jemand im Hinterhalt auf ihn lauerte. Dann rannte er, so schnell er nur konnte, auf den Gartenring zu. Was musste das erst für ein furchtbarer Dschungel sein, dachte er, wenn sich selbst die dünnen Baumstreifen an der Arbatskaja in ein derart düsteres Gestrüpp verwandelt hatten. Ganz zu schweigen vom Botanischen Garten und all den Dingen, die dort herangewachsen waren ...
Während sich seine Verfolger wieder sammelten, hatte Artjom sich einen kleinen Vorsprung erarbeitet und war fast am Ende des Prospekts angelangt. Es wurde immer heller, doch diese Tiere waren gegen Sonnenstrahlen offenbar unempfindlich: In zwei Gruppen huschten sie an den Häusern entlang und verkürzten mit jeder Sekunde den Abstand. Hier, auf offenem Feld, waren sie im Vorteil, denn Artjom hätte stehen bleiben müssen, um richtig auf sie zu zielen. Außerdem bewegten sie sich auf vier Beinen vorwärts, so dass sie nur knapp einen Meter in die Höhe ragten, ja oft kaum zu erkennen waren. Und so schnell Artjom auch zu laufen versuchte -der Schutzanzug, der Rucksack, die zwei Gewehre und die Erschöpfung nach dieser scheinbar endlosen Nacht machten sich mit jedem Schritt deutlicher bemerkbar.
Schon bald würden ihn diese rasend schnellen Tiere einholen und ihr Vorhaben zu Ende bringen. Er musste an den flüchtigen Anblick der hässlichen, riesigen Kadaver denken, die in ihrem eigenen Blut vor dem Eingang gelegen hatten. Glänzendes, dunkelbraunes Fell, ein riesiger, runder Kopf und ein Maul, das mit Dutzenden kleiner, scharfer Zähne gespickt war, wie es schien, in mehreren Reihen - er kannte kein einziges Tier, das sich durch radioaktive Strahlung in derartige Kreaturen hätte verwandeln können.
Zum Glück gab es auf dem Gartenring - sofern er das war - keine Bäume. Dies hier war nur eine sehr breite Straße, die sich nach rechts und links erstreckte, so weit das Auge reichte.
Bevor Artjom weiterrannte, feuerte er ohne hinzusehen eine weitere Ladung auf die Bestien ab. Sie waren nun schon auf fünfzig Meter herangekommen. Wieder hatten sie sich im Halbkreis um ihn verteilt, so dass zwei von ihnen fast gleichauf mit ihm liefen.
Auf dem Gartenring musste Artjom zwischen einigen fünf bis sechs Meter tiefen Kratern hindurchlaufen und an einer Stelle einen großen Umweg um einen tiefen Spalt in der Fahrbahn machen. Die Häuser hier sahen seltsam aus: nicht ausgebrannt, eher geschmolzen. Hier schien etwas Besonderes geschehen zu sein, und dieser Stadtteil war offenbar wesentlich stärker getroffen worden als der Kalinin-Prospekt. Als majestätische und zugleich düstere Kulisse dieser beunruhigenden Landschaft erhob sich in einiger Entfernung ein riesiges, mehrere hundert Meter hohes Gebäude. Es glich einem mittelalterlichen Schloss und hatte scheinbar unbeschadet alle Angriffe sowie den Zahn der Zeit überstanden. Als Artjom einen hastigen Blick hinaufwarf, entfuhr ihm ein Seufzer der Erleichterung: Über dem Schloss kreiste ein furchteinflößender Schatten. Das konnte die Rettung für ihn sein. Er musste nur Aufmerksamkeit erregen - und der Schatten würde seinen Verfolgern den Garaus machen. Mit einer Hand hob Artjom das Gewehr,
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