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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vergoldete, inzwischen mit schwarzer Patina überzogene Lüster herab, die jedoch auf den Schein der Taschenlampen noch immer mit kokettem Glitzern reagierten.
    Mehrere riesige Mosaike zierten die Wände, auf denen ein schon etwas älterer Herr mit Jackett, Spitzbart und Glatze dargestellt war sowie Menschen in Arbeiteruniform, junge Frauen in bescheidenen Kleidern und leichten weißen Kopftüchern, Soldaten in altmodischen Schirmmützen, und alle lächelten ihm zu. Daneben sah man Bomberverbände, die über den Himmel flogen, Panzerformationen und schließlich den Kreml selbst.
    Der Name dieser wundersamen Station war nirgends zu sehen, doch machte gerade dieser Umstand besonders deutlich, wo sie sich befanden.
    Die Säulen und Wände waren mit einer fast zentimeterdicken grauen Staubschicht bedeckt. Offenbar hatte seit Jahrzehnten niemand mehr einen Fuß hierher gesetzt. Der Gedanke, dass sogar die furchtlosen Wilden diesen Ort mieden, war beunruhigend.
    Weiter hinten auf dem Gleis stand ein ungewöhnlicher Zug. Er bestand nur aus zwei Waggons, dafür waren diese schwer gepanzert und mit einer dunkelgrünen Schutzfarbe angestrichen. Anstelle der Fenster hatte er schmale, schießschartenähnliche Schlitze mit abgedunkelten Glasscheiben. Die Türen, jeweils eine pro Waggon, waren verschlossen. Sollten die Herren des Kremls ihren geheimen Fluchtweg am Ende gar nicht genutzt haben?
    Sie erklommen den Bahnsteig und hielten inne.
    »So ist es also hier ...« Der Stalker legte den Kopf nach hinten, so weit es ihm sein Helm erlaubte. »So oft ist mir schon davon erzählt worden ... Und nichts davon stimmt.«
    »Wohin jetzt?«, fragte Ulman.
    »Keine Ahnung«, gestand Melnik. »Sehen wir uns erst einmal um.«
    Dieses Mal blieb er bei der Einheit, und die Männer bewegten sich gemeinsam vorwärts. Vom Aufbau her erinnerte die Station an die übrigen: Zu beiden Seiten des Bahnsteigs waren die Gleise, die den Raum links und rechts begrenzten. An den Längsseiten befanden sich Rolltreppen unter mächtigen Rundbögen. Die nähere führte hinauf, während die andere in die Tiefe hinabtauchte. Irgendwo hier war vermutlich auch ein Aufzug, denn kaum einer der ehemaligen Bewohner des Kremls hätte sich wie ein Normalsterblicher die Zeit genommen, um in aller Ruhe mit der Rolltreppe auf den Bahnsteig zu fahren.
    Die Verzauberung, die Melnik empfand, übertrug sich auch auf die anderen. Sie leuchteten mit ihren Lampen zu den hohen Gewölben hinauf, betrachteten die Bronzeskulpturen in der Mitte des Saals, die herrlichen Wandbilder, registrierten verblüfft die Pracht dieser Station, eines wahren unterirdischen Palasts, und sprachen nur flüsternd miteinander, wie um die heilige Ruhe nicht zu stören. Auch Artjom blickte sich begeistert um und hatte sämtliche Gefahren, den Selbstmord des Priesters und das hypnotische Leuchten der Kremlsterne völlig vergessen. Nur ein einziger Gedanke beschäftigte ihn: Wie wunderbar musste diese Station im hellen Glanz der Lüster aussehen!
    Langsam näherten sie sich dem gegenüberliegenden Ende des Saals, wo die nach unten führende Rolltreppe begann. Artjom versuchte sich vorzustellen, was sich dort unten verbarg. Noch eine zusätzliche Station, deren Züge direkt zu den Geheimbunkern im Ural fuhren? Oder führten dort weitere Gleise zu den zahllosen Korridoren unterirdischer Gewölbe und Verliese, die hier in unvorstellbaren Zeiten gegraben worden waren? Eine unterirdische Festung? Strategische Vorräte an Waffen, Medikamenten und Lebensmitteln? Oder einfach ein unendliches Band aus Stufen, das hinabführte, so weit das Auge reichte? War nicht irgendwo hier der tiefste Punkt der Metro, von dem Khan gesprochen hatte?
    Mit diesen unwahrscheinlichen Bildern regte Artjom seine Fantasie bewusst an, zögerte den Moment hinaus, da er, am Rand der Treppe angekommen, endlich zu Gesicht bekommen würde, was sich tatsächlich dort unten befand. Aus diesem Grund war nicht er als Erster dort, sondern der Kämpfer, der ihm von dem Ameisenlöwen erzählt hatte. Doch der schrie plötzlich auf und sprang zurück. Einen Augenblick später begriff Artjom, was passiert war.
    Langsam, wie Märchenwesen, die Hunderte von Jahren vor sich hin geträumt hatten, nun zum Leben erweckt worden waren und ihre steif gewordenen Glieder streckten, setzten sich beide Treppen in Bewegung. Mit angestrengtem, altersmüdem Krächzen krochen die Stufen nach unten, und dieses Bild allein hatte etwas unaussprechlich Furchtbares an sich.

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