Metropolis brennt
999,8 auf der Con-Ed-Skala erreichte. Sicher, sein Stickstoff-Sauerstoff-Luftrezirkulationssystem war alt, aber es war zuverlässig. Seine Wasserklärzellen waren unwirksam und überflüssig, aber Wasser trank sowieso keiner mehr.
Der Lärm war ein ständiges unaufhaltbares und unentrinnbares Ärgernis. Doch Carmody hatte auch gewußt, daß dagegen kein Kraut gewachsen war, seit man die uralten Schalldämmungsverfahren verloren hatte. Es war das Schicksal der urbanen Menschheit, als gefesselte Zuhörerschaft zum Anhören der Streitereien, der Musik und der Wasserspülungen von nächsten Nachbarn verdammt zu sein. Doch selbst diese Folter konnte man erträglicher gestalten, indem man selbst vergleichbare Eigengeräusche erzeugte.
Der tägliche Gang zur Arbeit brachte gewisse Gefahren mit sich, doch diese waren eher unwirklich als real. Benachteiligte Heckenschützen fuhren mit ihren fruchtlosen Protesten von den Dächern herab fort und konnten gelegentlich sogar einen unvorsichtigen Nicht-Städter zur Strecke bringen. Doch in aller Regel stand es nicht eben rosig um ihre Zielkünste bestellt. Darüber hinaus hatte die allgemeine Benützung leichter kugelsicherer Kleidung ein weiteres dazu beigetragen, die Bedrohung durch sie zu verringern, und schließlich kam noch das strikte Gesetz hinzu, welches das Tragen zusätzlicher Schußwaffen strengstens verbot.
Es läßt sich also kein bestimmter Faktor herauskristallisieren, der für Carmodys plötzliche Entscheidung verantwortlich sein konnte, die Stadt zu verlassen, die allseitig als der Welt aufregendste megalopolitische Konglomeration bezeichnet wurde. Man kann den Entschluß als willkürlichen Impuls, flüchtigen Traum oder einfach als schiere Perversion ansehen, aber es bleibt die einfache, ungeschminkte Tatsache, daß Carmody eines Tages seine Ausgabe der Daily Times-News aufschlug und dort die Werbeanzeige einer Modellstadt in New Jersey erblickte.
„Kommen Sie, leben Sie in Bellwether, der wohlmeinenden Stadt“, verkündete die Anzeige. Es folgte eine Liste utopischer Einrichtungen, die hier nicht einzeln aufgezählt werden müssen.
„Nicht schlecht“, sagte Carmody und las weiter.
Bellwether war ausgesprochen einfach zu erreichen. Man fuhr ganz einfach durch den Ulysses-S.-Grant-Tunnel an der 43th Street, nahm die Hoboken Shunt Subroad bis zur Palisades Interstate Crossover, der man 3,2 Meilen auf dem Blue-Charlie Sorter Loop folgte, was einen auf die US 5 (dem Hague Memorial Tollway) führte, von wo man ganze 6,1 Meilen bis zur Garden State Supplementary Access Service Road fuhr, um sich dann westlich zur Ausfahrt 1731 A zu begeben, über die man King’s Highbridge Gate Road erreichte, auf der man schlußendlich noch 1,6 Meilen zurücklegen mußte, und schon war man da.
„Alle Wetter“, sagte Carmody. „Das bring’ ich.“
Und das brachte er dann auch.
2
Die King’s Highbridge Gate Road endete in einer äußerst gepflegten Gegend. Carmody stieg aus dem Wagen, und sah sich um. Etwa eine halbe Meile weiter vorn sah er eine kleine Stadt. Ein einziges, winziges Ortsschild identifizierte sie als Bellwether.
Die Stadt war nicht in der traditionellen amerikanischen Bauweise errichtet worden, der zufolge einer Stadt immer die Tentakel von Tankstellen, Würstchenbuden, Motels und einer ansehnlichen Reihe von Schrottplätzen vorhergehen mußten. Vielmehr erinnerte sie an eines jener verträumten italienischen Hügelstädtchen, denn sie strebte abrupt in die Höhe, ganz ohne physische Präambel, der Hauptteil der Stadt präsentierte sich unverhüllt und auf einen
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