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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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plötzlichen Gedanken aus: „Diese Kälte … Vielleicht haben sie den Winter aus ganz anderen Gründen so bald kommen lassen. Nicht wegen der Produzenten, nicht wegen der Wirtschaftssanktionierung, sondern wegen der bevorstehenden Demonstrationen.
    Wenn sie diesen Teil des Waldes abholzen, dann wird es – wie du gesagt hast – Ärger geben, ganz bestimmt. Sogar ohne unseren Provokations-Spaziergang hier. Die Leute lassen sich das nicht gefallen. Man kann die Natur nicht durch Hartplastikbäume ersetzen.“
    Die Kälte einsetzen, um die Demonstranten zu Hause zu halten. Der Gedanke setzte sich in seinem Bewußtsein fest.
    Mirja sagte: „Sie haben Bakterien gegen Menschen eingesetzt, Atombomben und Neutronenbomben. Weshalb sollten sie davor zurückschrecken, das Wetter für sich zu nutzen? Sie haben die Macht dazu, es gibt eine logische Begründung dafür, es zu tun, also tun sie es.“ Sie hatte offenbar noch nicht daran gedacht, und jetzt ließen sie der Schrecken und der Zorn eisig kalt werden.
    Vharn starrte auf die Eiszapfen. Sie waren tatsächlich wie Speere, die vom Himmel wuchsen. Von den kräftigen, knorrigen Ästen einer hohen Tanne hingen sie herunter, zusammengewachsen, blinkend, blitzend – Dutzende. Es gab Schatten im gläsern wirkenden Eis, Schatten und die üblichen Farbtupfer. Vielleicht sah nur er sie, aber sie waren vorhanden: zart, vage, in steter Veränderung begriffen.
    Mirja rannte plötzlich los, schüttelte die Beklommenheit mit einem verzweifelten Lachen ab, als wolle sie damit die Stille, die plötzlich zwischen ihnen gehangen hatte, zerstören, ein für allemal zerfetzen.
    Er drückte die Sensortaste auf dem linken Ärmel des Doppelpneum-Anzugs, der Prograv reagierte augenblicklich, er kam hoch, wurde schnell … schnell … behielt ihr Lachen in der Erinnerung, wollte es lange in der Erinnerung behalten … als fröhliches Lachen.
    Alles könnte so schön sein, wenn …
    Wenn dieser Wald ein normaler Wald, diese Gesellschaft eine normale Gesellschaft und Mirja und er normale Menschen wären.
    Sie rannte schnell. Hastig stapfte sie durch Eis und Schnee, brach knirschend knöcheltief ein, kam wieder frei, wühlte, pflügte sich durch Schneeverwehungen, riß beide Hände hoch, berührte Zweige, Äste, brachte das Chaos in die schweigende, frosterstarrte Waldwelt und lachte jetzt übermütig, übermütig, so wunderbar übermütig.
    Es gab keinen Grund, nicht übermütig zu sein. Die Schachzüge waren getan, die Falle war aufgestellt, der Köder bewegte sich … Blieb einzig und allein die Unberechenbarkeit eines militärisch-perfekten Systems …
    Schnee sprühte pulvrig, regnete in weißen Kaskaden zu Boden, schlug in Vharns Gesicht, ließ ihn prusten und ebenfalls lachen.
    Eine Provokation …
    Er folgte Mirja, wich den Stämmen aus, die blitzschnell vor ihm aus dem Schnee-Nebel, aus nebligen Turbulenzen auftauchten, sich ihm in den Weg stellten, umrundete sie, folgte ihr, so schnell er konnte. Hier standen die Bäume dichter, das Zwielicht wirkte anders – unheimlicher, bedrohlicher. Viele Bäume waren tot, schwarzbraune Skelette, die sich knorrig, bizarr in das Weiß erhoben. Die Einsamkeit wurde größer, je weiter sich Mirja von ihm entfernte, je düsterer es auf dem Waldboden wurde. Stille und Tod umgaben ihn.
    Einen Abhang hinunter.
    Schnee flog und wirbelte. Eiskristalle blitzten spöttisch und auch verwirrend. Schnell kamen ihre Schritte. Schnell. Sehr schnell.
    Er sah sie weit voraus, hangabwärts. Eine freie, gewellte Schneefläche, die Bäume machten Platz, ihre Schneezweige ragten jedoch weiter oben aus dem Stamm und weit in die Hang-Lichtung hinaus. Viele Bäume waren umgestürzt, zerschmettert, bildeten einen unentwirrbaren Wirrwarr auf dem Boden.
    Inmitten des Wald-Himmels wurde der richtige Himmel sichtbar, ein zerrissen wirkender Fetzen aus schmierigem Dunkelblau, grauen Wolken, deren Ränder sanft rotgesäumt waren. Die Sonne stand als verwaschener Phantomfleck an diesem Himmel, ihre Strahlen konnten den Smogmantel schon lange nicht mehr durchdringen, und der Energiedom, der den Wald umhüllte, filterte die ohnehin schon schwachen Strahlen noch einmal zusätzlich.
    Mirja rief: „Vharn! Schnell, komm – schau, was ich mache!“
    Er raste zu ihr, der Prograv summte hell, er lachte, die kalte Luft rötete sein Gesicht, stach tief in seine Lungen hinein, die Kälte, die seinen Körper erstarren ließ, packte energischer zu, spürte, daß sie stärker war als er, soviel

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