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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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haben.
    „Es strengt dich viel zu sehr an“, keuchte Mirja unvermittelt, stoppte, kam jedoch erst nach zwei weiteren Schritten zum Stehen. „Wir könnten doch auch hier auf sie warten.“
    „Ich genieße es.“
    „Ein zynischer Träumer.“
    „Der keine Gedichte und keine Balladen mehr schreiben wird“, fugte er ihren Worten hinzu, ließ ihr dann aber nicht die Zeit, zu antworten. „Komm, weiter. Schließlich wollen wir’s unseren Freunden nicht zu einfach machen, oder?“
    Das schrille Brausen schwoll an, war nahe, Pfeifen, Kreischen durchwob das Grundgeräusch.
    Die Baumwipfel schienen sich zu neigen, der Wind fauchte durch das Geäst der Tannen und Fichten, schüttelte Schneelasten bösartig zu Boden, entfesselte Schneestürme, wie vorhin Mirja. Nur grausamer, jähzorniger, unbeherrschter. Und vor allem: wütend, nicht glücklich und übermütig wir Mirja.
    Ascheflocken wirbelten verstört durch die Luft. Graue Schneeflocken. Die bunten Farben waren geflohen, die Wirkung der Pillen zunichte gemacht, ausgetrocknet, zurückgeblieben war einzig und allein die Finsternis.
    Und die Angst.
    Das Geräusch ihrer Schritte war nicht mehr beruhigend. Das Brechen der Eiskruste auf der Schneedecke, das Knirschen und Knacken und Brechen schürte ihre und seine Angst, ihre und seine Panik, obwohl sie sich doch so verbissen an ihrem Trotz festklammerten.
    Sie rannten, hasteten durch den dunklen, kalten, winddurchtosten Wald. Das Brausen war über ihnen. Heulen mischte sich darin. Ringsum wurden Bewegungen aufgepeitscht. Vharn spürte intensiv, wie die Schneekälte von einer anderen, von Menschen ausgestrahlten, schlimmeren Kälte ersetzt wurde. Seine Hände zuckten, seine Bauchmuskeln verkrampften sich.
    Über ihnen jenseits der Himmelsmauer des Waldes, waren die Jäger.
    So nahe.
    Laufen. Davonlaufen. Leben.
    „Wir kommen nicht mehr hinaus, Vharn!“ stieß Mirja hervor.
    Blutleer wirkten die schönen Lippen, angstgeweitet die Iriden der großen Hexenaugen, das lange, dunkelbraune Haar strähnig, zerzaust, schneeverklumpt um ihr schmales Gesicht. Schatten unter den Augen.
    Ihr etwas kantiges Gesicht vorgereckt, trotzig. Aber dies war kein Vorwurf an ihn. Sie hatte gewußt, auf was sie sich einließ, und das sagte er ihr auch. Er bereute es im gleichen Augenblick, denn es wäre nicht nötig gewesen.
    „Ich bereue es auch nicht, Vharn“, sagte sie hastig. „Es ist nur …“ Sie unterbrach sich kurz, weil sie beinahe gestürzt wäre und mit den Armen ruderte, um ihr Gleichgewicht zu bewahren. „Es ist nur … Unzufriedenheit. Vharn, ich wollte es länger genießen, länger erleben. Obwohl der Wald leer ist, obwohl wir die Tiere nicht gesehen haben, die in den alten Büchern beschrieben sind … und die man uns immer wieder in den Sensi-Programmen zeigt, und …“ Sie schluchzte, ihr Gesicht gefror zu einer Maske: „Verdammt, das ärgert mich!“
    „Du wolltest ihnen ins Gesicht lachen“, erinnerte er sie, riß sie herum, unterdrückte den Aufruhr in sich, wollte sie spüren, sie so nahe bei sich haben, wie er noch nie eine Frau bei sich gehabt hatte, seine Händen bewegten sich fahrig, unkontrolliert, weil er nicht richtig steuerte, nicht koordinierte.
    Aber dann hielt er Mirja doch in den Armen, sein ganzer Körper zuckte konvulsivisch, Nervenenden, die mit dem Prograv verbunden waren, vibrierten, als würden ihn Peitschenhiebe treffen.
    „Es war schön, Vharn, und ich bereue es nicht, ich bereue es wirklich nicht. Und … es bewirkt etwas …“
    Sie klammerte sich an ihm fest, genauso, wie er sich an ihr festklammerte. Sie spürte keine Abscheu vor ihm, keinen Ekel, sie stieß ihn nicht zurück. Sie dachte nicht einmal daran. Er hütete sich, sie in diesen Momenten zu sondieren, zwang sich, es nicht zu tun.
    „Ich habe Angst“, raunte er.
    Aber sie rannten nicht mehr davon, sie bleiben stehen, eng umschlungen, sie schlossen die Augen, spürten ihre gegenseitige Nähe, ihre Wärme. Die Einsamkeit schmolz zu einem kläglichen Rest zusammen. Die Angst und die Panik und der Aufruhr versiegten zu lächerlichen Rinnsalen.
    In einer anderen Welt explodierten die Geräusche der Jäger zu einer grauenhaften Melodie, das peitschende Fauchen der Jagdgleiter, die schneidenden Summtöne energiegeschwängerter Aggregate, das jähe, stoßweise, ruckartige Tohuwabohu vieler Gefühler, das sich zu einem Orkan vermengte, klumpig, wirbelnd, tanzend, zuckend …
    In einer anderen Welt landeten die Jagdgleiter.
    Gefühlsfetzen

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