Metropolis brennt
stachen in Vharns Geist, ließen ihn die Landung miterleben, obwohl er sie nicht miterleben wollte. Er wollte sie aussperren. Er wollte sie nicht fühlen. Er schrie und war sich dessen nicht bewußt. Er krümmte sich zusammen, klammerte sich an Mirja fest, baute die geistige Blockade auf, doch sie war zu schwach, sie wurde porös, Impulse prasselten dagegen, Haßimpulse, Zornimpulse, Gedankenimpulse, die er nicht verstehen konnte.
Sie schwappten gegen die Barriere, die poröse Barriere. Sie ließen sie bröckeln. Größere Fetzen wurden herausgerissen wie Fleischfetzen aus dem Kadaver eines verfaulenden Tieres, wurden herausgerissen und davongeschwemmt.
Die Barriere brach. Sein Schädel wurde von grellroten und giftgelben Flammenfluten gefüllt, Impulse-Impulse- Impulse, kreatürliche Schmerzen blühten ihn auf … weiter … weiter …
Er schrie noch immer.
Und die Gleiter kamen, brachen als krasse schwarze Schatten durch das hohe Grün-Weiß-Sanftbraun des Waldbaldachins, peitschten den Schnee davon, schickten beißende Kälteböen auf den Boden herunter, ließen die Haare der beiden gebannten Menschen flattern …
Vharn hielt Mirja fest, Mirja hielt ihn fest. Sie beide standen im Zentrum eines Orkans, eines Wintersturmes, von Maschinenkraft hervorgerufen, Schneeflocken wirbelten, Schlieren tanzten, das heisere, röhrende Kreischen der Maschinen, das grelle Hassen der Normalen …
Äste und Zweige brachen mit berstendem, peitschendem Knall, die schwarzen Schatten sanken tiefer, Lichter zuckten hektisch, Lichtbahnen wischten über den aufglühenden Schnee.
Zeitraffer.
Fremde Emotionen. Vharn konnte nicht mehr zwischen ihnen und seinen eigenen unterscheiden. Es gab keine Trennungslinie mehr. Keinen Horizont.
Die schwarzen Gleiter setzten federnd auf dem verschneiten Waldboden auf. Fremde Augen sahen …
Weitere Instrumente werden aktiviert. Finger, schlanke, lange, beinahe fraulich-zarte Finger huschen spielerisch über Sensortasten und Kristall-Regler. Lichterreihen erwachen zu flackerndem oder beständig ruhigem Leben oder erlöschen.
Außenschotte öffnen sich mit mahlendem Scharren.
Die Jäger springen heraus. Kraftvoll. Beherrscht. Gezügelte Energie. Gedämpfte Gedanken. Befehle lasten im Vordergrund.
Holt euch die beiden!
Wenn sie sich wehren, ist von der Waffe Gebrauch zu machen! Kein falsches Mitleid! Sie sind Verbrecher an der Gesellschaft, sie haben das Gesetz mit den Füßen getreten, dieses militante Gesindel, das einen Scheißdreck von Sitte, Moral, Anstand und Gesetzen zugunsten des Allgemeinwohls hält!
Das nicht-autorisierte Eindringen in den Stadtwald ist pure Provokation – und wir lassen uns nicht mehr provozieren!
Wir müssen eisern durchgreifen, diese Symptome dürfen nicht um sich greifen …
Schnelle Schritte. Geduckt, wie Raubtiere, stoßen die Jäger vorwärts, nutzen jede Deckung aus – Bäume, Erd/Schneehaufen, Büsche – tauchen wieder dahinter vor, rennen weiter.
Lichterkegel halten die beiden Wald-Eindringlinge in ihren Zentren erstarrt. Sie wehren sich nicht. Sie machen auch keine Anstalten, sich zu wehren. Sie stehen mit geschlossenen Augen da und halten sich umklammert. Und sie zittern.
Die Jäger umzingeln sie.
Fremde Momenteindrücke: bizarre Gestalten in schwarzbraunen Kampfkombinationen, ehrfurchtgebietend, gewaltig, eine mächtige Waffe in der Hand des Staates. Kontrast: das Stahlblinken von Waffen in den Händen der Jäger. Behandschuhte Finger an Sensorauslösern. Unterdrücktes Atmen. Gebändigte Energie. Gedämpfte Gedanken. Keine Gefühle. Im Vordergrund nur Befehle-Befehle-Befehle und die Entschlossenheit, Gehorsam zu leisten. Allmächtige Befehle. Wie Funkenregen in der Nacht.
Die Jäger sind da, und mit ihnen sind Bestrafung und Grausamkeit und eiskalte Dunkelheit da.
Der Stein gerät ins Rollen. Mirja reißt sich von Vharn los und lacht den Jägern ins Gesicht, sie lacht, hysterisch, verzweifelt, voller Triumph, voller Freude, und auch Vharn fühlt sich jetzt stark genug, um zu lachen …
Eiskalte Dunkelheit.
Gleich darauf: Stille.
Alptraumzeit/Gespräche/Gedanken/Gefühle
Schatten, die sich verflüchtigten, auseinanderfaserten, sich wiederfanden/vereinigten. Ein wirbelnder Lichtpunkt in der Unendlichkeit. Ein helles Knirschen, ein reißendes Knacken und haarfeine Risse in samtschwarzem Spiegelglas. Konturen, Schemen, Arme, verkrüppelte Hände, die aus diesem Glas heraus entstanden, zitternde Finger in weißen Gummihandschuhen, die
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