Metropolis brennt
nach ihm tasteten …
Nebel und wieder Schatten. Und Schmerzen.
Nicht die normalen, allgegenwärtigen Schmerzen der Cad-Krankheit, die seine Glieder mit glutflüssigen Zentren versahen, sondern saugende, reißende Schmerzen rings um seine Gedanken. Schmerzen, als würde ihm das Gehirn leer gesaugt werden. Als würde ihm die Seele aus dem Leib gerissen werden.
Und so war es tatsächlich …
Irgendwann festigte sich sein Bewußtsein, er hörte dumpfes Gemurmel, scheinbar willkürliches Aneinanderreihen von Worten, Wortpausen, Betonungen, Akzente. Er konnte nichts verstehen, wollte sich bewegen, begriff jedoch nach mehreren vergeblichen Anstrengungen, daß es unmöglich war.
Er hing in einem silbernen Gespinst, in einem Spinnennetz aus Drähten und Schläuchen. Kalte Kontakte waren an seinem Schädel befestigt, und er wunderte sich, daß er so unvermittelt sehen konnte, daß er so unvermittelt und unerwartet das Gefühl für seinen Körper zurückerhalten hatte.
Nebel und Schatten und Silbergespinst und Kälte.
Allerdings eine andere Kälte als jene, die er im Wald kennengelernt hatte: keine minzfrische, keine natürliche Kälte, sondern die synthetische Kälte eines menschenfeindlichen Betonraumes, die gleiche synthetische Kälte, die ihm auch aus den Gehirnen der Menschen heraus entgegenstrahlte.
Eine dumpfe Kälte. Eine Kälte, die ihn kaum atmen ließ.
Er war nackt, und er fror, und er zitterte unter dieser perversen Kälte, die er noch niemals zuvor so intensiv, so würgend, so beklemmend empfunden hatte. Betonmauern atmeten den Hauch von Gefangensein aus. Beton, Beton, Beton, überall grauer, schwarzer Beton. Unter ihm, über ihm, die Seitenwände, überall, überall.
Das kalte, künstliche Licht der beiden Deckenleuchten spendete keinen Trost.
Vharn fühlte den Beton, fühlte die Kälte, die Mauern, fühlte die Anwesenheit der Normalen, der Systemkonformen; die dumpfen, murmelnden, dröhnenden, hämmernden Stimmen und Gefühle wanden sich spiralförmig in seinem Schädel, umkreisten ein Zentrum der Leere, des Ausgebranntseins, umklammerten es, schmolzen es ein, bis er verstand …
„… zu sich. Hat lange gedauert.“
„Kann er uns hören?“ Rein wissenschaftliche Neugier schwang in der glatten Stimme und in den glatten Gefühlen.
„Er hat keine Syskonkon. Dementsprechend widerstandsfähig dürfte er sein.“ Kurze Pause. Papierrascheln. Ein angenehmer Summton. „Schauen Sie sich die Aufzeichnungen an. Das Psychoverhör hat einige interessante Aspekte ergeben, hier, das Protokoll.“
Erneut hörte Vharn Papier rascheln, er versuchte, den Kopf so zu wenden, daß er die beiden Sprecher sehen konnte, doch gelang ihm dies nicht. Starr und steif, gebannt, hing er in dem Gespinst, unfähig, seinen Körper zu bewegen, abgeschaltet wie eine Maschine, voller Schmerzen und Angst. Nicht husten, um Gottes willen, nicht husten. Und er glaubte, das Geräusch berstender Rippen hören zu können, knirschender, brechender Knochen. Nicht husten.
Die Stimmen kamen näher.
„Also ein Total-Assozialer. Ich hätte es mir denken können. So wie dieser häßliche Kauz aussieht.“ Ein Frösteln. Vharn wollte sich aufbäumen, als die Abscheu wie eine eruptive Flut aus Eiskristallen von dem Sprecher auf ihn überging.
Der Sprecher verachtete ihn, den Krüppel, den Freak.
Vharn versuchte zu denken, aber da war dieses Silbergespinst … an seinem Körper, in seinem Schädel, in seinem Gehirn. Er konnte nicht denken, das Gespinst verhinderte es. Sie hatten ihm alles genommen, den Prograv, den Doppelpneum-Anzug, seine Bewegungsfreiheit, seine Menschenwürde … Denken war nur möglich auf Befehl. Auf Befehl. Auf …
Mirja! Wo war Mirja? Lebte sie noch? War sie tot? Wo hatten sie Mirja hingebracht?
Der andere Sprecher führte mit dunkler, nicht unsympathischer Stimme aus: „… Systemformkonditionierung ist nur bei physisch und psychisch völlig intakten Exemplaren möglich.“
Ein meckerndes Lachen. „Eigentlich ein Witz. Gerade diese Subjekte hätten sie nötig.“ Schritte. Das Rascheln von frisch gestärktem Stoff. „Ich werde eine entsprechende Eingabe machen müssen. Unhaltbare Zustände, Doktor …“
„Ich kann mir nicht helfen, tut mir leid, Herr Oberstadtführer. Aber sehen Sie, weshalb ein Aufheben um diese … diese Wesen machen? Die meisten von ihnen machen es nicht sehr lange. Sie werden nicht alt. Krepieren. Es gibt kaum Ärzte, die sie behandeln, und die armseligen Bemühungen der Streeters –
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