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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Ausschüsse tagen. Konferenzen/Konferenzen/Herren in Grau, die am grünen Tisch über Schachfiguren urteilen. Konferenzen. Zu spät. Zu spät. Viel zu spät.
     
    „Wir wissen jetzt alles über dich, Freak“, sagte eine zufriedene Männerstimme. „Und damit bist du erledigt. Abgehakt. Aus dem Spiel ausgeschieden. Merkst du es?“
    Vharn gab den Impuls, setzte sich auf und bemerkte erst jetzt zu seiner eigenen Überraschung, daß er nicht mehr in dem Silbergespinst hing, daß er nicht mehr nackt war. Er trug den Doppelpneum-Anzug, der Prograv funktionierte zuverlässig, soweit er dies im Augenblick feststellen konnte. Er konnte sich bewegen, konnte denken, handeln, konnte …
    Er wollte sich vorbeugen, zu dem hageren, bleichen Mann hin, der hinter seinem wuchtigen Kunstholzschreibtisch saß und ihn wie ein seltenes Insekt beäugte und schleimige Zufriedenheit ausstrahlte. Er wollte nach Mirja fragen, doch dann unterdrückte er diese Frage, weil er plötzlich wußte, daß er ihr damit mehr schaden als nützen würde. Sie würden sie nicht freilassen, wenn sie wußten, daß er an ihr hing.
    Aber das wußten sie ja.
    Sie hatten ihm seine geheimsten Gedanken gestohlen. Alles.
    Der Arzt wischte ein Stäubchen von seinem schneeweißen, faltenlosen Kittel. „Ich sehe, du bist mißtrauisch, Freak“, sagte er.
    Noch immer erwiderte Vharn nichts.
    Erstarrt, steif saß er in dem Pneumosessel, der ihn stützend umgab, saß vor dem wuchtigen, respektdiktierenden Schreibtisch, in einem nüchternen Büro mit weißen Wänden. In einem benachbarten Büro waren Stimmen zu hören, Telefone klingelten, Schreibautomaten hämmerten. Vharn dachte: Ich bin wieder in der Welt der Lebenden.
    Er versuchte, den Arzt zu sondieren. Versuchte, die schleimige Zufriedenheit seines Gegenübers genauer zu spüren, wollte sich selbst damit geißeln, wollte sich für seine Aberwitzigkeit bestrafen. Eine fixe Idee. Das Eindringen in den Stadtwald. Provokation eines mächtigen Staatsapparates. Was hatte er damit erreicht? Was?
    Er konnte nicht mehr fühlen!
    Vharn stieß einen krächzenden Laut aus, seine Zunge klebte dick, geschwollen, trocken an seinem ebenfalls pulvertrockenen Gaumen.
    Der Arzt lächelte. „Du hast es also endlich bemerkt“, sagte er genüßlich. „Nun, dann wollen wir zu einem Ende kommen, Freak.
    Hör mir genau zu, denn ich werde kein einziges Wort wiederholen.
    Du bist frei. Du kannst gehen, wohin du willst. Du behältst deinen Prograv und deinen Doppelpneum-Anzug, also kannst du dich beileibe nicht beklagen. Wir sind keine Unmenschen.“ Ein feines, gehässiges Lächeln erschien auf dem bleichen Gesicht. „Daß du jetzt nicht mehr fühlen kannst, ist einem … äh … bedauerlichen Fehler zuzuschreiben, der uns beim Verhör passiert sein muß, bedauerlich, wirklich.“ Das Lächeln spannte die blutleeren Lippen des Arztes. „Nun, du kannst uns nichts nachweisen, also kümmert es uns nicht. Du bist frei. Geh und zeig dich deinen tapferen Mitstreitern. Den armen Irren und Kranken, die deinetwegen so fleißig demonstriert haben. Es war amüsant. Viele Überstunden für die Polizeikräfte. Mehr nicht.“
    „Sie haben nicht nur meinetwegen demonstriert“, preßte Vharn heraus. Seine Stimme war ein Krächzen, jedes Wort fiel ihm schwer, es kam ihm vor, als habe er wochenlang nicht mehr gesprochen.
    „Ach ja. Natürlich. Es ging auch um die Sache der Außenseiter, der Freaks. Um die gute Sache. Ein heiliger Kreuzzug, das hätte ich beinahe vergessen. Nun, er hat trotzdem nichts bewirkt. Ihr müßtet es doch langsam begriffen haben.“
    „Wie lange …“
    Der Mann unterbrach ihn schroff. „Maul halten. Du warst jetzt einen Monat unser Gast, du hast viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Ich hoffe, du hast sie genutzt. Du bist frei.“
    Er ruckte mit dem Kopf Richtung Tür, die sich hinter Vharns Sessel befinden mußte.
    Vharn erhob sich. Der Prograv funktionierte; ein leises, gleichmäßiges Summen ließ ihn fein vibrieren, umhüllte seinen verknoteten Körper.
    Die Stimme des Mannes ließ Vharn stehenbleiben.
    „Du bist in die schwarze Liste der unangenehm aufgefallenen Personen dieser Stadt aufgenommen, Freak, vergiß das nicht. Deine Eulenspiegelei wird nicht vergessen, auch wenn das im Moment so aussehen mag. Die Leute halten es für einen gelungenen Scherz, sie anerkennen deine Leistung, deinen Mut. Freu dich, Freak, du bist über Nacht zu einer Art Volksheld geworden. Nicht dumm. Ein kluger Schachzug. Wir können dich also

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