Mettwurst ist kein Smoothie
ich’s aber gezeigt.» Da kommt er schon angeflogen, der kleine Kauz, lässt sich auf deiner Schulter nieder, ruft dir ein leises «Guruuu!» ins Ohr und hat dich ab dann hypnotisiert. Plötzlich hörst du dich selbst Sätze sagen, die du eigentlich nur von deinen Eltern kennst. «Die in der dritten Etage könnten aber auch mal wieder ihren Fußabtreter ausbürsten!», und Ähnliches. Ab dann ist es nicht mehr weit bis zum Kissen auf der Fensterbank.
Wie gut, wenn dann ein Lebenspartner neben dir steht, den Kauz verscheucht, dir sanft auf den Kopf haut und fragt: «Sag mal, geht’s noch?» Ich weiß, wovon ich rede, ich habe schon sehr oft eine auf den Kopf bekommen. Und das ist gut so. Je älter ich werde, umso mehr glaube ich, dass das der eigentliche Sinn einer Partnerschaft ist: Zwei Menschen schließen sich zusammen, um sich gegenseitig davon abzuhalten, unausstehlich zu werden.
Aber Singles? Denen fehlt leider der gelegentliche Schlag auf den Kopf. Stattdessen baut sich der Kauz auf ihrer Schulter ein gemütliches Nest, und dann kleben sie immer mehr Post-it-Zettel und schreiben immer mehr Leserbriefe, und wenn es dumm läuft, werden sie zum Superkauz, der mit wirrem Haar und unterschiedlichen Socken durch die Fußgängerzone rennt und «Nanopartikel! Überall Nanopartikel!» schreit.
Nehmen wir mal meinen Freund Sebastian. Single seit vielen Jahren und Kauz im Frühstadium: Er ist bereits leidenschaftlicher Post-it-Zettel-Schreiber. Unvergessen, als er seine Kollegen im Büro mal aufgefordert hat, weniger Papier zu verbrauchen – per Zettel! In den letzten Jahren hat er dann noch etwas entwickelt, was ich die «Acht-Uhr-Wut» nenne: Wenn er abends um 20 Uhr noch nicht hungrig ist, bekommt er ausgesprochen schlechte Laune. Er freut sich nämlich den ganzen Tag so sehr auf das Abendessen! Wenn er dann keinen Hunger hat, fällt der Spaß aber aus, und das macht ihn sauer.
Hören Sie ihn auch, den Kauz? Guruuu!
Kürzlich kam es dann zu folgendem Telefonat:
«Hallo, Sebastian, wie wär’s mit ’ner ordentlichen Grillung am Aachener Weiher? Ich bring Grill und Picknickdecke mit.»
«Grillen? Hm, weiß nicht …», brummte es aus dem Telefon. «Ich reg mich ja selbst immer über den Müll da auf.»
Das allein hätte mich schon stutzig machen sollen. Aber Sebastian legte noch einen drauf.
«Außerdem hab ich keinen Bock drauf, aufm Boden zu sitzen.»
«Moment, Moment», sagte ich. «Was ist denn schlimm daran, auf dem Boden zu sitzen?»
«Ach, ich hasse es eben. Das ist so ungemütlich. Ständig drückt sich ein Stein in den Hintern, und später wird’s dann auch noch klamm.»
«Das ist nicht dein Ernst, oder?», fragte ich.
«Doch! Ich kenne ganz viele Leute, die das nicht mögen.»
«Ja klar, ‹Bodenphobie› – gab’s da nicht kürzlich ein Sonderheft von
Psychologie Heute
?»
«Mach dich nur lustig», brummte er. «Ich komme trotzdem nicht mit.»
Mir fiel nichts mehr ein. Außer ein leises «Guruuu!».
«Was soll das denn?», fragte Sebastian.
«Nichts. Ich wollte dich nur unauffällig auf deine schleichende Verkauzung aufmerksam machen.»
«Meine was?»
«Deine Verkauzung! Du wirst ein Kauz! Deine Acht-Uhr-Wut, die Post-it-Zettel, jetzt die Bodenphobie, und kürzlich hast du eine Kneipe wortlos verlassen, nur weil die Kellnerin nach der Bestellung ‹Alles klärchen› gesagt hat! Kauz, Käuzchen, Guruuu!»
«Na und?», erwiderte Sebastian, «du hast mal mit ’nem Typen Schluss gemacht, nur weil er statt ‹poppen› immer ‹bumsen› gesagt hat.»
«Bümsen!»
, rief ich, «Philippe war Franzose und sagte
bümsen
! Das ist was völlig anderes!»
Das stimmte tatsächlich. Irgendwann hatte Philippe mal zu mir gesagt: «Marküs, schau dir immör an, wie die Männär kochön, denn so wie einör kocht, so bümst er auch!» Danach war die Beziehung irgendwie zu Ende.
Ich versuchte noch einmal, Sebastian ins Gewissen zu reden. «Ich will dich doch nur warnen! Sonst suchst du wie mein Nachbar irgendwann die abgelaufenen Milchpackungen aus dem REWE -Regal und zeigst sie stolz der Verkäuferin.»
Sebastian schwieg einen Moment.
«Das machst du doch nicht etwa schon?», fragte ich.
«Die verkaufen das an unschuldige Leute!», rief er.
Eine unangenehme Stille machte sich breit.
Irgendwann sagte Sebastian dann trotzig: «Ich bin kein Kauz. Ich sitze nur einfach nicht gerne auf dem Boden. Außerdem habe ich gar keinen Hunger.»
Ich versuchte es ein letztes Mal. Leider mit
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