Mettwurst ist kein Smoothie
nicht davon, ohne Sprachkenntnisse und Verstand nach Mallorca zu ziehen und ein Sonnenstudio zu eröffnen. Ich rede von der Abgeschiedenheit der ungarischen Landschaft, wo wir im Einklang mit der Natur leben und von einheimischen Ziegenhirten die Kunst des Käsens erlernen.»
«Aha», sagte Stefan, «und wie viel Ungarisch sprichst du so?»
Da hatte er mich leider erwischt. Leise gestand ich: «Eingelegtes Gemüse heißt Fötzelek. Weiß ich ausm Walter-Moers-Comic.»
«Das könnte ’ne etwas einseitige Ernährung werden, meinste nicht?»
«Wir haben ja noch den Ziegenkäse», erwiderte ich vorsichtig.
Stefan sagte nichts mehr, sondern schaute mich nur mit schräggelegtem Kopf an.
«Ich mache mir eben Gedanken», sagte ich schließlich. «Du meinst doch selbst immer, dass wir nicht jünger werden. Und dass man sich mal überlegen sollte, ob wir nicht noch mal was ganz anderes machen und diesem sinnentleerten Großstadtleben entfliehen.»
Stefan protestierte. «Ich habe nie behauptet, dass unser Leben sinnentleert ist.»
«Du nicht», gab ich ihm recht. «Aber Yanne.» Da ich Stefans fragendes Gesicht sah, ergänzte ich: «Das ist der Mann, der in diesem ausrangierten Bauwagen auf der Waldlichtung vor Gyöngyöshalasz wohnt.»
Stefan seufzte. «Markus, wo kommst du her?», fragte er dann.
«Aus Zeil am Main. Weißt du doch.»
«Richtig. Ein 6000 -Seelen-Ort. Also etwa zehnmal so viele Seelen wie Gyöngyöshalasz. Und warum bist du da weggezogen?»
«Weil Zeil keine Uni hat», sagte ich.
«Und?», hakte Stefan nach, und ich merkte allmählich, dass es nicht immer von Vorteil in einer Beziehung ist, wenn man dem Partner seine gesamte Lebensgeschichte erzählt.
«Und weil ich es als Neunzehnjähriger irgendwann doof fand, dass es da nur eine Kneipe gab und im Kino die großen Hollywood-Blockbuster erst vier Wochen nach Bundesstart liefen.»
Stefan lächelte siegessicher. «Und wann kommen die großen Hollywood-Blockbuster ins Land der Palozen?»
Ich schwieg. Dann versuchte ich es ein letztes Mal. «Ich will doch nur, dass wir aus unserem Leben das Beste machen. Dass wir jenseits der ausgetrampelten Pfade wandeln. Man muss doch auch mal verrückt sein, neu anfangen. Das einfache Leben genießen. Sich an den kleinen Dingen erfreuen: Berge, Käse, Herzschablonen. Stell dir das mal vor: keine Büroarbeit mehr, keine Pendelei, keine Überstunden in schlecht klimatisierten Räumen. Nur wir, die Natur, unsere Ziegen und ein Schälchen Fötzelek … Was meinst du? Hm? Sollen wir’s wagen?»
Eine Stunde später saßen wir im Cinedom und schauten «X-Men – First Class». Manchmal glaube ich, Stefan nimmt mich nicht ernst.
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Kampf dem Kauz
Passiert mir nicht oft, aber jetzt muss ich mal kurz ein Bibelzitat loswerden: «Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.» Wer, wie ich, viele Singles im Freundeskreis hat, der möchte dem Herrn Moses für diesen Satz noch nachträglich auf die knochigen Schultern klopfen.
Nicht dass ich jetzt auf Singles eindreschen wollte. Na ja, vielleicht ein bisschen. Schließlich muss man sich als in einer Beziehung lebender Mensch ständig anhören, wie langweilig Paare doch sind, haha, die öden Paare, mit ihren Fernsehabenden und Raclette-Silvestern und dem Samstagsabend-Sex mit Socken an und Licht aus, Paare, Paare, ich könnt mich beömmeln!
Singles dagegen sind so unfassbar verrückte Outlaws, die Krone des Individualismus, der Inbegriff der Freiheit und des selbstgestalteten Lebens, weil sie so verrückte Dinge machen, wie zum Beispiel dreckige Teller über Nacht stehen lassen oder Sex ohne Socken oder sogar Sex ohne Partner.
Singles, keiner ist so geil wie Singles!
Aber: Was Singles leider fehlt, ist jemand, der ihnen ab und zu auf den Kopf haut. Denn, machen wir uns nichts vor: Ab dem dreißigsten Lebensjahr neigt der Mensch zur Verkauzung. Du wachst morgens auf, liest die Zeitung, und plötzlich hast du zum ersten Mal in deinem Leben den Drang, einen Leserbrief zu schreiben, zum Beispiel über die Müllberge, die die bösen Griller im Park hinterlassen. Oder du sortierst Buchrücken in deinem Regal nach Größe. Oder du regst dich darüber auf, dass im Büro wieder jemand die Tassen
neben
statt
in
die Spülmaschine gestellt hat. Wenn es ganz schlimm kommt, fängst du an, kleine Post-it-Zettel zu schreiben, die du dann an die dreckigen Tassen klebst («Vom Hinstellen wird’s nicht sauber!»). Und dann denkst du dir: «Na, denen hab
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