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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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hauptsächlich mit diesen dreien – Bub Twist, Nasen-Murphy und Bert Rhine – zusammen ist.
    Der zweite, den Fräulein West ebenfalls wegschickte, nachdem sie ihn nur fünf Minuten beobachtet hatte, war Mulligan Jacobs. Vorher geschah jedoch etwas Seltsames. Ich befand mich in der Kabine, als Mulligan Jacobs kam, und unwillkürlich bemerkte ich den schnellen, gierigen Blick, den er auf meine gefüllten Bücherregale warf. Er näherte sich ihnen wie ein Räuber einem geheimen Goldschatz.
    Und seine Augen! Alle Bitterkeit des Lebens lag in ihnen. Sie waren klein, diese Augen, von einem fahlen Blau, brennend und stechend. Die Lider waren entzündet und verstärkten dadurch noch die kaltflammende Bitterkeit des Blicks. Der Mann war offenbar der geborene Hasser, bald wurde mir klar, daß er tatsächlich alles in dieser Welt haßte – alles, mit Ausnahme von Büchern.
    »Möchten Sie gern etwas davon lesen?« fragte ich freundlich.
    Der zärtliche Ausdruck seiner Augen, der nur den Büchern gegolten, erlosch sofort, als er den Kopf drehte, um mich anzusehen, und alsbald wußte ich, daß er auch mich haßte.
    »Sie haben einen kräftigen Körper und lassen doch Diener Ihre Bücherhaufen schleppen, während ich mit meinem Buckel schuften muß.«
    Wie soll ich die giftige Bosheit schildern, mit der er das sagte. Aber der Umstand, daß ich in diesem Augenblick durch die offene Kabinentür den schleppenden Gang Pikes hörte, schenkte mir ein dankbares Gefühl der Sicherheit, denn mit diesem Manne in einem Raum allein zu sein, erschien mir ungefähr so, wie in einem Käfig mit einem Tiger eingesperrt zu werden.
    »Haben Sie denn Schmerzen?« fragte ich.
    »Es brennt in meinem Gehirn«, lautete seine Antwort. »Aber mit welchem Recht besitzen Sie all diese Bücher? Weshalb können Sie des Nachts in ihnen schwelgen, während ich immer wieder Wache schieben muß und mein Buckel mir nicht erlaubt, einen halben Zentner Bücher zu schleppen.«
    »Noch ein Verrückter«, dachte ich. Und doch mußte ich diese Ansicht sehr schnell ändern, denn aus der Vorstellung heraus, es mit einem Verrückten zu tun zu haben, fragte ich ihn, was für Bücher er denn zentnerweise schleppen möchte und welche Schriftsteller er am liebsten lese. Seine Büchersammlung, erzählte er mir, enthielte eine vollständige Ausgabe der besten Namen der Weltliteratur.
    Vielleicht war er verrückt, aber dann auf ganz andere Weise als irgendein Verrückter, den ich je getroffen habe. Ich sprach weiter mit ihm über Bücher und Schriftsteller. Er kannte alles mögliche, hatte aber einen ausgeprägten Geschmack.
    Während er mit mir sprach, fühlte ich, daß er mich haßte. Er schien mir übrigens von irischer Abkunft zu sein, und es war klar, daß er sich sein Wissen nicht von selbst angeeignet hatte. Er ging zuletzt ein wenig aus sich heraus und erzählte mir, daß er in seiner Jugend Leichtathlet, ja sogar professioneller Läufer in Ostkanada gewesen war. Dann hatte die Krankheit ihn befallen, und ein Vierteljahrhundert lang war er Tramp und Vagabund gewesen. Er rühmte sich, mehr Gefängnisse und Zuchthäuser als jeder andere kennengelernt zu haben. In diesem Stadium unserer Unterhaltung zeigte sich Pike in der Türöffnung. Er würdigte mich nur eines entrüsteten und tadelnden Blickes. Offenbar mißfiel ihm, daß ich mich mit Mulligan Jacobs unterhielt. Zu Mulligan selbst sagte er mit seinem gewöhnlichen Fauchen: »Mach, daß du an deine Arbeit kommst. Quatschen kannst du, wenn du Freiwache hast.«
    Und dann sah ich, wie dieser Mulligan Jacobs eigentlich war. Der giftige Haß, den ich bereits in seinem Gesicht gesehen hatte, war das reine Nichts im Vergleich mit dem, der sich jetzt darin enthüllte.
    »Geh zum Henker, alter Schuft!« knurrte er.
    Wenn ich je Mord in den Augen eines Mannes gelesen habe, dann jetzt in den Augen des Steuermanns. Mit erhobener Faust taumelte er in die Kabine. Ein einziger Schlag dieser Bärenpranke, und Mulligan Jacobs wäre in die ewige Finsternis geschleudert worden. Aber der fürchtete sich nicht. Er stand da wie eine in die Ecke gedrängte Ratte. Ohne zu blinzeln, fauchend und knurrend, sah er dem tobenden Riesen ins Gesicht. Noch mehr: er streckte seinen Kopf auf dem verkrüppelten Hals vor, um dem drohenden Hieb zu begegnen. Das war zuviel für Pike – es war unmöglich, dies widerliche, verkrüppelte Gesicht zu schlagen.
    »Nein, ich habe keine Angst, dich ›alter Schuft‹ zu schimpfen«, sagte Mulligan Jacobs. »Nur

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