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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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und konnten keine Ruhe finden. Erst gegen Morgen fiel ich zum ersten Male in dieser Nacht in einen leichten Schlummer.
    Eins scheint mir aber klar: Pike ahnt nicht, daß der Mörder seines alten Lehrmeisters an Bord der Elsinore ist. Er hat nie die furchtbare Narbe gesehen, die Mellaires – oder vielmehr Sidney Walthams – Schädel zerklüftet. Und ich werde es Pike auch nie verraten. Jetzt weiß ich aber, warum ich vom ersten Augenblick an den Untersteuermann nicht leiden mochte. Und ich verstehe jetzt auch das lebende Wesen, das hinter seinen Augen lauert. Ich habe dasselbe unheimliche Wesen in den Augen der drei Verbrecher gefunden. Sie sind ja, wie der Untersteuermann, Zuchthäusler. Der Zwang, die Geheimnistuerei und die eiserne Kontrolle des Gefängnislebens haben in ihnen eine zweite, furchtbare Persönlichkeit entwickelt.
    Und noch eins ist klar: An Bord dieses Schiffes sind alle Elemente einer Tragödie gegeben. Unsere Fracht besteht aus menschlichem Dynamit, das jeden Augenblick unsere kleine schwimmende Welt in tausend Stücke sprengen kann.
    Wir sind jetzt schon südlich von Rio, und es geht noch immer weiter nach Süden. Das Gebiet der Passate haben wir hinter uns, und der Wind ist jetzt sehr launisch, Regenschauer und Windstöße beunruhigen die arme Elsinore. Eine Stunde können wir in einer toten Kalme schlingern, und in der nächsten Stunde schießen wir dann mit einer Geschwindigkeit von vierzehn Knoten dahin und müssen die Segel bergen, so schnell die Matrosen nur arbeiten können. Auf eine lange, träge und windstille Nacht, in der es unmöglich ist, in der stickigen schwülen Luft der Kabine zu schlafen, kann ein Tag mit einer brennendheißen Sonne und einer öligen, hohlen Dünung folgen. Und an anderen Tagen stampft dann wieder die Elsinore unter bewölktem Himmel mit beschlagenem Schleisegel und Obersegeln in einer kurzen Kappelsee.
    Heute war die Kühlte gegen elf Uhr vormittags so steif, daß Pike das Großsegel bergen ließ. Das große Bramstagsegel war schon in den Vormars niedergeholt. Die Wache war aber nicht imstande, das Großsegel aufzugeien, und nachdem sie lange vergeblich gesungen und gehalt hatten, mußte schließlich die Freiwache herausgepurrt werden, um zu helfen.
    »Du gütiger Himmel!« stöhnte Pike mir ins Ohr. »Zwei Wachen für so einen Fetzen, mit dem die Hälfte einer anständigen Wache ohne Mühe fertig werden könnte! Gucken Sie sich mal den Bootsmann an, der den andern ein Beispiel geben sollte.«
    Der arme Nancy! Er war das traurigste, unglücklichste Geschöpf, das ich je gesehen hatte. Sundry Buyers war ebenso unfähig und kraftlos. In seinem Gesicht standen nur Verzweiflung und Hilflosigkeit geschrieben. Die Hände gegen seinen Unterleib gepreßt, lief er hoffnungslos verwirrt umher, stets Arbeit suchend und nie imstande, sie zu finden.
    »Du lieber Gott«, klagte Pike. »Wie soll man mit so einem Bootsmann jemand zur Arbeit antreiben? Und wenn sie erst bei Kap Hoorn alle Kräfte zugesetzt haben, was soll ich dann mit den Jammerlappen anfangen?«
    Wenn der Wind flau ist, macht mein kleiner Stutzen mir großes Vergnügen. Ich habe schon an viertausend Patronen verschossen und betrachte mich selbst schon fast als Sachverständigen. Wenn ich einmal heimkomme, werde ich mich mit Scheibenschießen beschäftigen – es ist wirklich ein netter Sport.
    »Papa kennt die See gründlich«, sagte Fräulein West heute nachmittag zu mir, als wir beisammensaßen. »Er versteht und liebt sie.«
    »Vielleicht ist sie ihm auch nur eine Gewohnheit geworden«, meinte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, er kennt sich mit ihr aus. Er liebt sie von ganzem Herzen. Deshalb ist er auch jetzt zu ihr zurückgekehrt. Alle seine Vorfahren waren ja Seeleute. Sein Großvater, Anthony West, machte von 1801 bis 1847 nicht weniger als sechsundvierzig Reisen. Sein Vater Robert befuhr als Steuermann die Nordküste, noch ehe die Zeit des Goldfiebers eingesetzt hatte, und wurde dann Führer von einigen der größten Klipper, die Kap Hoorn mit Goldjägern umsegelten. Elijah West, Papas Urgroßvater, war in den Revolutionsjahren Kaperkapitän – er führte die bewaffnete Brigg New Defence. Und auch dessen Vorfahren waren Besitzer, Kapitäne oder Steuerleute auf Kauffahrteischiffen, die auf große Fahrt liefen… Anthony West führte 1808 und 1814 den großen Segler David Bruce und hatte Kaperbrief. Es war ein Schoner von zweihundert Tonnen, in Maine gebaut. Sie führte einen langen

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