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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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ziemlich sanfter. Heute morgen aber hatte es ausgesehen, als sollte es schlimmer werden, und da hielt er uns schließlich nur zum Narren. Im Laufe der Nacht war der Wind so abgeflaut, daß wir heute morgen schon alle Bramsegel gesetzt hatten. Gegen zehn Uhr schlingerten wir in einer toten Kalme. Gegen elf begann es sich aber wieder verhängnisvoll im Südwesten zusammenzuballen.
    Der bewölkte Himmel senkte sich immer tiefer auf uns herab. Unsere hohen Toppen schienen die Wolkendecke zu streifen. Auch der Horizont rückte immer näher, bis er nur noch eine halbe Meile entfernt schien. Die Elsinore lag wie in einem kleinen, engen Universum von Nebel und See eingeklemmt. Blitze begannen zu spielen. Dann wurde der Himmel auf einmal vom Zenit bis zum Horizont von gespaltenen Blitzen zerrissen, und die feuchte Luft verwandelte sich in ein unheimliches Grün. In der toten Stille begann der Regen erst ganz leise zu rieseln, bis er allmählich zu einer Sintflut von mächtigen Tropfen wurde. Es wurde immer dunkler und dunkler, eine grüne Finsternis und obgleich es mitten am Tage war, mußten Wada und der Steward doch die Lampen der Hütte anzünden. Die grüne Finsternis wurde von den unaufhörlichen kleinen Blitzen in eine Flammenwand verwandelt, die immer wieder von den großen Blitzen zerfetzt wurde. Schließlich waren wir von einem elektrischen Wirbel umgeben, so daß es nicht möglich war, einen der Blitze in diesen unendlichen Flammenketten mit einem bestimmten Donner zu verbinden. Die Luft um uns brannte und brüllte einfach. Jeden Augenblick erwarteten wir, daß die Elsinore getroffen würde.
    Immer noch kein Wind. Die Spieren der Elsinore waren nackt, nur die Unterbramsegel waren gesetzt. Schlaff und schwer vom Regen hingen sie herab. Die Wolkenmasse wurde immer dünner und leichter, der Tag brach an, die grüne Finsternis wurde zu grauem Zwielicht, das Blitzen hörte auf, der Donner entfernte sich langsam… aber immer noch wehte kein Wind.
    Eine halbe Stunde später schien die Sonne, in der Ferne grollte hin und wieder der Donner am Horizont. Die Elsinore schlingerte noch immer in der toten Kalme…
    »Man kann nie wissen«, knurrte Pike mir ins Ohr, »vor dreißig Jahren verloren wir hier die Masten; es war genauso ein Wind wie gestern.«
    Die Wache war gerade zu Ende, und Mellaire, der den Steuermann ablösen wollte, trat neben mich.
    »Es ist eins von den dreckigsten Gewässern der ganzen Welt«, meinte er. »Vor achtzehn Jahren hat mir der Plata auch eins ausgewischt. Wir verloren die halben Masten, unsere Ladung rutschte, schließlich kenterten wir. Ich war zwei Tage im Boot, ehe ein englisches Trampschiff uns auflas. Von den andern Booten wurde keines je wiedergefunden.«
    »Die Elsinore hat sich aber heute nacht gut gehalten«, meinte ich zufrieden.
    »Ach, es war ja auch gar nichts«, murrte Pike. »Warten Sie nur ab, bis Sie erst mal einen richtigen Pampero erleben.«
    Dann wehte es wieder jeden Tag. Die mächtigen Wogen, die sich zu gewaltiger Höhe auftürmten, machten den Aufenthalt an Bord wenig gemütlich. Ich konnte es mir nur bequem machen, indem ich in die Koje törnte und mich mit Kissen umgab, die ich so fest wie möglich zwischen die Wand und meinen Körper preßte. Eines Tages stellte sich Pike in meine Kajütentür, hielt sich mit den Händen am Türrahmen fest und spreizte die Beine, um nicht bei dem unaufhörlichen, entsetzlichen Schlingern umgeworfen zu werden. Er hatte sich einen Augenblick freigemacht, um mir zu erzählen, daß er wirklich etwas Neues von diesem verdammten Pampero gelernt hätte. Der Wind sei aus einer verkehrten Ecke gekommen und hätte demzufolge überhaupt keine Daseinsberechtigung.
    Er blieb immer noch stehen, und zwar in einer Weise, die ganz zufällig aussehen sollte, aber doch lächerlich durchsichtig war. Zuerst fragte er mich ganz dumm, ob der gute kleine Possum vielleicht Zeichen von Seekrankheit aufwiese. Dann erleichterte er sein erbostes Gemüt, indem er auf die Jammerlappen schimpfte, die die Fock hätten fliegen lassen. Dann bat er mich um Erlaubnis, sich eins meiner Bücher zu leihen. Unterdessen überlegte ich, was er wohl von mir wollte. Schließlich ging er geradeswegs auf sein Ziel los.
    »Sagen Sie mal, Herr Pathurst«, meinte er. »Erinnern Sie sich, wie lange es her ist, daß Mellaire in dieser Gegend die Masten verlor und kenterte?«
    Ich wußte gleich, wo er hinwollte.
    »Acht Jahre, nicht wahr?« log ich.
    Pike dachte nach. »Ich begreife nicht,

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