Meuterei auf der Elsinore
ab.«
»Fürchten Sie aber nicht, Ihre ganze Munition zu verbrauchen?« fragte er mich eine halbe Stunde später, als ich immer noch drauflosknallte.
Er war sehr beruhigt, als ich ihm mitteilte, daß ich nicht weniger als fünfzigtausend Patronen an Bord hätte.
Während wir noch schossen, kamen zwei Haie angeschwommen. Sie waren sehr groß, Pike schätzte sie auf mindestens viereinhalb Meter. Es war Sonntagmorgen, so daß die Mannschaft mit Ausnahme derer, die notwendige Schiffsarbeit erledigen mußten, freie Zeit hatte, und es dauerte deshalb nicht lange, so hatte der Zimmermann den einen Hai mittels eines Seils gefangen, an dessen Ende er einen mächtigen eisernen Haken mit einem Stück gesalzenen Specks von der Größe eines Kopfes befestigt hatte. Bald hatte er auch das andere Ungeheuer auf dem Haken. Sie wurden beide an Bord geholt. Dann sah ich ein Schauspiel, das mir wieder die ganze Grausamkeit, die auf See herrscht, enthüllte.
Die Mannschaft versammelte sich um die beiden Tiere, mit Scheidemessern, Äxten, Keulen und großen Schlachtmessern bewaffnet, die sie sich in der Kombüse geliehen hatten. Ich will hier keine Einzelheiten schildern, sondern nur berichten, daß sie sich wie vollkommen verrückt vor lüsterner und grausamer Aufregung gebärdeten und vor Entzücken grölten und brüllten. Schließlich wurde der erste der beiden Haie in die See zurückgeworfen, nachdem man ihm ein spitzes Holzstück zwischen Ober- und Unterkiefer gesteckt hatte, so daß er den Rachen nicht mehr schließen konnte. Ein unvermeidlicher, langsamer Hungertod mußte die Folge sein.
»Ich will euch mal was zeigen, Kinder«, brüllte Andy Fay, als sie sich anschickten, den zweiten Hai ebenso zu mißhandeln.
Ich glaube, das, was ich jetzt sah, machte mich mehr als alles andere hart und herzlos gegen diese rohen Bestien. Zum Schluß wälzte sich der unglückliche Hai ohne Eingeweide auf dem Deck. Die Matrosen hatten sie alle herausgeschnitten. Es war nichts übrig, als die Fleischkruste des unglücklichen Tieres, das noch immer nicht verenden konnte.
Plötzlich steckte mir Mulligan Jacobs, dessen Arme blutbeschmiert wie die eines Fleischers waren, ein Stück Fleisch in die Hand. Ich trat erschrocken zurück und ließ es an Deck fallen, während die zwei Dutzend Matrosen in ein wildes Geheul ausbrachen. Diese rohen Bestien hatten nur wenig Achtung vor mir.
Ich betrachtete den Fleischklumpen, den ich fortgeworfen hatte – es war das Herz des Hais. Und als ich es mir näher ansah, bemerkte ich, daß es hier auf dem brennend heißen Deck immer noch lebte und schlug. Da nahm ich mich zusammen und wagte es! Ich wollte nicht, daß diese Bestien das Vergnügen haben sollten, und hob das Herz auf, während ich mühsam meine Übelkeit beherrschte, hielt es in meiner Hand und fühlte es auch dort schlagen. Da ließ Mulligan Jacobs mich stehen, um sich interessantere Unterhaltung zu verschaffen, indem er den Hai, der immer noch nicht sterben wollte, weiterquälte.
Aber jetzt wurde es mir doch unerträglich, ich zog mich zurück, trug aber dabei immer noch das klopfende Herz in meiner Hand.
Als ich auf die Kampanje trat, sah ich Fräulein West mit ihrem Nähkorb aus der Tür des Kartenhauses kommen. Ich schlich mich auf die Steuerbordseite, um heimlich das furchtbare Ding, das ich in der Hand trug, über Bord zu schleudern. Es war in der tropischen Hitze an der Oberfläche ganz eingetrocknet, und doch schlug es immer noch. Als ich es fortwerfen wollte, blieb es mir an der Hand kleben. Statt über Bord zu fliegen, fiel es auf die Finkennetzreling und blieb dann im Schatten liegen. Als ich hineinging, um mir die Hände zu waschen, warf ich noch einen letzten Blick darauf und sah, daß es noch immer schlug.
Und als ich zurückkam, schlug es noch. Da hörte ich etwas plätschern, das von der Kuhl des Schiffes über Bord geworfen wurde, und ich wußte, daß es der Kadaver des Haies war. Ich blieb stehen, gebannt durch das Schauspiel, das das immer noch klopfende Herz mir bot.
Laute Rufe erregten meine Neugier. Alle waren auf die Reling geklettert und spähten in die See. Ich folgte ihren Blicken und sah etwas Seltsames. Der Hai, dem sie die Eingeweide herausgenommen hatten, war nicht verendet – er bewegte sich, er schwamm, er schlug mit dem Schwanz und versuchte zu tauchen. Bisweilen gelang es ihm, fünfzig oder hundert Fuß weit zu tauchen, dann wurde er wieder, trotz seinem vergeblichen Bemühen, an die Oberfläche getrieben.
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