Meuterei auf der Elsinore
sagte er.
Ich ließ den Stutzen sinken und sah ihn fragend an.
»Vielleicht hätten Sie ihn getroffen«, erklärte er, »aber den möchte ich doch lieber für mich behalten.«
Das Leben ist immer anders, als man erwartet. Unsere ganze Fahrt von Baltimore südwärts bis Kap Hoorn und dann um das Kap herum war durch Mord und Sterben gekennzeichnet. Und jetzt, da der Höhepunkt, die offene Meuterei, erreicht ist, hören Totschlag und Gewalttätigkeit plötzlich auf. Wir bleiben für uns, und die Meuterer halten sich ebenfalls für sich. Es ist vorbei mit der Härte, vorbei mit dem ewigen Anschnauzen, dem Brüllen von Befehlen. Und bei diesem herrlichen Wetter ist es, als sei jeder Tag ein Festtag.
Bei uns lösen Margaret und Pike sich mit Grammophon und Klavier ab, während die Matrosen im Logis eine vollbesetzte Jazzband gebildet haben, die wir freilich nicht sehen können, die aber Tag und Nacht ihren schrecklichen Spektakel macht. Ein winselndes Schifferklavier, das, wie Tom Spink erzählt, dem toten Mike Cipriani gehört hat, wird von Bombini gespielt, der auch Generalmusikdirektor der Kapelle ist. Im übrigen besteht sie aus zwei stark mitgenommenen Harmonikas und einem Brummeisen. Dazu gibt es ein paar selbstverfertigte Flöten, einige Querpfeifen und Trommeln. Ferner ein paar mit Papier überzogene Kämme, improvisierte Triangeln und eine Art Xylophon, das sie sich aus den Rippen des gepökelten Pferdefleisches gemacht haben – ein Instrument, wie es die Negersänger benutzten.
Die Kapelle scheint aus der gesamten Mannschaft zu bestehen, und wie ein Affenvölkchen, das besonderes Wohlgefallen an derben Rhythmen findet, unterstreichen die Matrosen den Takt, indem sie auf Petroleumkannen, Bratpfannen und alle möglichen Metallgegenstände und andere Lärminstrumente loshämmern. Ein besonders erfindungsreiches Mitglied der Kapelle hat eine Schnur an die Schiffsglocke, die an einem Galgen auf der Back hängt, gebunden, und wenn die Jazzband so recht in Schwung und auf dem Gipfel ihrer Kunst ist, hört man die Glocke wild bimmeln, obgleich Generalmusikdirektor Bombini dies mehrmals auf das strengste gerügt hat. Um diesem musikalischen Kunstgenuß die Krone aufzusetzen, heult die Sirene in den verrücktesten Augenblicken mit ihren Nebeltönen dazwischen. Sie spielt offenbar die Rolle der großen Baßgeige.
Das soll Meuterei auf hoher See vorstellen! Fast jede Stunde meiner Tageswache lausche ich, wenn ich an Deck bin, auf diesen höllischen Lärm und bin so wütend, daß ich mich entschließen könnte, gemeinsam mit Pike einen nächtlichen Überfall zu organisieren und diese verfluchten aufrührerischen und unmusikalischen Sklaven zur Arbeit zu zwingen.
Alle sind übrigens gar nicht so unmusikalisch. Bombini hat eine sehr beachtenswerte, wenn auch ganz ungeschulte Stimme – einen Tenor –, und er setzt mich durch sein verblüffend abwechslungsreiches Programm in Erstaunen. Bert Rhine und seine Spießgesellen kennen eine Menge moderner Schlager und Tänze, und heute morgen gab Nancy, offenbar auf dringende Aufforderung, mit der schönsten Rührseligkeit Volkslieder zum besten.
Das ist also eine Meuterei! Jetzt, da ich das Wort hinschreibe, kann ich es kaum glauben. Ich weiß zwar, daß Pike einsam die Wache auf der Kampanje hält. Aber Wada und die Segelmacher sitzen friedlich in der Pantry und sprechen über japanische Politik. Durch den Korridor höre ich Margaret beim Zubettgehen leise vor sich hinsingen.
Doch jeder Zweifel schwindet, wenn die Glocke acht Glasen schlägt und ich an Deck gehe, um Pike abzulösen. »Sagen Sie mal«, meinte er vorhin vertraulich: »Sie und ich, wir könnten doch eigentlich die ganze Bude ausräuchern. Wir brauchen uns nur voraus zu schleichen und dann loszuknallen. Sobald wir zu schießen beginnen, wird die Hälfte achteraus laufen. Dann nehmen unsere Leute sie auf der Kampanje in Empfang, und wir beide können tüchtig unter ihnen aufräumen. Was meinen Sie?«
Ich zögerte einen Augenblick, denn ich mußte an Margaret denken.
»Wissen Sie«, sagte er, »sobald ich erst in das Loch hineingekommen bin, knalle ich los und schieße die Banditen nieder.« Ehe ich ihm aber noch eine Antwort gegeben hatte, war er schon wieder zur Vernunft gekommen.
»Nein, das geht natürlich nicht. Wenn die drüben einen von uns erwischen sollten… nein, wir müssen hierbleiben, bis sie ausgehungert sind. Aber wo sie ihr Futter herkriegen, das möchte ich wirklich wissen. Gucken Sie sich
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