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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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mir, denn keinem andern dürfen wir die Verantwortung eines Wachkommandos anvertrauen. Ich habe selbst sogar den Steward und Wada dabei ertappt, wie sie im Begriff waren, ein Nickerchen zu machen. Henry, der Junge vom Schulschiff, ist der einzige, der noch nicht der allgemeinen Schlaffheit verfallen ist.
    Und dann habe ich Tom Spink gestern nachmittag verbimst. Seit dem Verschwinden des Steuermanns hatte ich schon Anzeichen der Frechheit bei ihm bemerkt. Vorgestern unterhielt ich mich mit Margaret darüber. »Er ist ein tüchtiger Seemann, aber ein schwacher Charakter«, sagte sie. »Wenn wir es ihm hingehen lassen, wird er alle andern anstecken.«
    »Schön, ich werde ihn mir vornehmen«, erklärte ich heldenmütig.
    »Das mußt du auch«, ermunterte sie mich. »Du mußt hart sein. Hart und immer wieder hart.«
    Die Lage war tatsächlich ziemlich peinlich. Ich hatte noch keine Übung in der Behandlung von Menschen, und das merkte Tom Spink sehr wohl. Den Steuermann hatte er gefürchtet, dabei aber das Vertrauen zu ihm gehabt, daß er ihn heil oder doch jedenfalls lebendig aus dieser Geschichte herausbringen würde. Zu mir hat er dies Vertrauen nicht. Welche Aussichten haben wohl der vornehme Herr Sommergast und die Tochter des Kapitäns gegen die Banditen vor dem Mast? Ungefähr so wird er gedacht haben, und deshalb verlor er Mut und Hoffnung. Ich überwachte Tom Spink mit Falkenaugen; er muß das auch bemerkt haben, denn er achtete sorgfältig darauf, nicht die Grenze des Erlaubten zu überschreiten, war aber doch immer nahe daran. Ich wußte auch, daß Buckwheat uns beide genau beobachtete, um zu sehen, wie die Sache ausgehen würde. Im übrigen war die Sache auch nicht der Aufmerksamkeit unserer scharfäugigen Asiaten entgangen; ein paarmal war Louis offenbar schon nahe daran, mir einen gutgemeinten Rat zu erteilen. Er kannte jedoch seine Stellung zu gut und hielt deshalb vorläufig den Mund.
    Aber gestern hatte Tom Spink während meiner Wache die unerhörte Frechheit, Tabaksaft auf das Deck zu spucken. Nun muß man wissen, daß auf See ein solches Benehmen eine ebenso große Sünde ist wie eine Gotteslästerung in der Kirche. Ich stand am Kreuzmast, als Margaret zu mir trat und erzählte, was geschehen war. Sie ließ sich meinen Stutzen geben und übernahm meinen Posten, damit ich achteraus gehen konnte. Dort stand Tom Spink und kaute seelenruhig seinen Priem.
    »He, du, hol schnell einen Schwapper und wisch den Dreck auf«, befahl ich so barsch, wie es mir möglich war.
    Tom Spink schob den Priem in die andere Backe und guckte mich spöttisch an. Ich bin überzeugt, daß er ebenso überrascht wie ich selbst war über die Ereignisse, die sich jetzt überstürzten. Denn meine Faust flog vor, und Tom Spink taumelte zurück und schlug mit dem Kopf gegen die Peilrohrverschraubung. Nun habe ich seit meiner Knabenzeit keinen Menschen mit der bloßen Faust geschlagen, aber ich gebe gern zu, daß es mir einen Mordsspaß machte, den armen Spink zu verhauen. Natürlich war die ganze Geschichte ein bißchen lächerlich. Aber ich fühlte mich durch das Bewußtsein, daß Margaret zusah, angeregt, und meine Schläge erhielten dadurch Kraft und Nachdruck. Nun, jedenfalls habe ich Tom Spink eine Lehre erteilt, es hat auch geholfen, denn er hat versprochen, sich zusammenzunehmen.
    »Jawoll, Herr«, murmelte er mit blutenden Lippen, »jawoll, Herr, ich wische es ab. Jetzt gleich, Herr, jawoll, Herr.«
    Seit diesem Vorfall ist die Luft achteraus herrlich klar und rein. Tom Spink gehorcht jedem Befehl mit bewundernswerter Eile, Buckwheat springt ebenso willig, und die fünf Asiaten stehen noch fester als bisher hinter mir, seit ich gezeigt habe, daß ich fähig bin zu herrschen.

    Wieder sind zwei Tage vergangen, und es sind zwei bemerkenswerte Vorkommnisse zu verzeichnen. Erstens scheint es, als ob die Proviantbestände der Meuterer auf die Neige gingen, zweitens haben wir unsere ersten Verhandlungen mit ihnen geführt.
    Durch mein Glas hatte ich gesehen, daß sie nicht mehr die ganzen Kadaver der gefangenen Seevögel über Bord warfen wie bisher. Das bedeutet, daß sie jetzt gezwungen sind, das Fleisch der Tiere zu essen, obgleich es zäh ist und schlecht schmeckt. Freilich braucht das noch nicht zu bedeuten, daß sie mit ihrem Proviant ganz am Ende sind. Und dann hat Margaret, die nach echter Seemannsart immer das Barometer und den Himmel beobachtet, festgestellt, daß das Barometer fällt und daß Wolken sich am Himmel

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