Meuterei auf der Elsinore
dreihundertfünfzig Meilen von Valparaiso entfernt. Die Elsinore schlingert jetzt vor einer labberen Kühlte. Sie bewegt sich nicht schneller als die Drift. Als der Sturm seinen Höhepunkt erreicht hatte – er währte nicht weniger als drei Tage und Nächte –, erzielten wir acht, sogar neun Knoten. Zu meinem Befremden erhoben die Meuterer keine Einwände gegen mein Programm. Sie wußten in der Geographie doch zu gut Bescheid, um sich nicht ganz klar darüber zu sein, was ich vorhatte. Sie hatten die Segel in ihrer Gewalt, und doch erlaubten sie mir, die Küste anzulaufen. Sie gingen sogar noch weiter. Als der Sturm am Morgen des dritten Tages abgeflaut war, enterten sie hinauf, setzten Bramsegel, Reuel und Oberbramleesegel und braßten die Rahen. Das war jedoch zuviel für das angelsächsische Blut in meinen Adern, ich brachte die Elsinore in den Wind, drehte bei und zurrte das Ruder fest. Margaret und ich sind uns nämlich einig, daß sie die Absicht haben, an Land zu gehen. Sobald sie es sichten, wollen sie in die Boote gehen und desertieren.
»Aber das lassen wir nicht zu«, erklärte sie mit blitzenden Augen. »Wir wollen nach Seattle, und wir werden sie zwingen, wieder ihre Pflicht zu tun.«
Merkwürdigerweise bekamen wir eine kleine Zugabe zu dem Sturm, obgleich er längst von einer labberen Kühlte abgelöst worden war. Da die Segel nicht getrimmt waren und deshalb killten und blafterten, kann man sich leicht vorstellen, welchen Höllenlärm das Klatschen von Segeln und Tauen in unserer Takelung verursachte. Die gesamte Mannschaft kam in heller Aufregung aus dem Logis gestürzt.
»Trimmt das Takelwerk«, brüllte ich Bert Rhine zu, der tatsächlich von selbst bis zur Kampanje kam, um zu hören, was ich zu dem Spektakel meinte. Charles Davis und der Malteser-Londoner begleiteten ihn als fachmännische Ratgeber.
»Nur vor dem Winde laufen lassen, dann brauchen wir nicht zu trimmen«, rief Bert Rhine zu mir herauf.
»Ans Land wollt ihr?« brüllte ich höhnisch. »Hungrig geworden, was? Aber das gibt es nicht, und wenn es tausend Jahre dauern sollte.«
Ich habe vergessen zu erzählen, daß sich das gestern mittag abspielte.
»Wir werden die Segel bergen, so daß Sie an den Wind gehen können«, schlug Bert Rhine vor.
Ich schüttelte den Kopf und legte meinen Stutzen an.
»Der erste Mann, der in die Wanten entert, kriegt eine Kugel von mir.«
»Dann kann die Elsinore meinetwegen zum Teufel gehen. Mir ist es schnuppe«, erklärte er mit Nachdruck.
Und eben in diesem Augenblick riß die Vorbramrahe sich los, fiel auf Deck und zerschlug die Schanzkleidung an beiden Seiten und die Laufbrücke zwischen Fockmast und Vorderkastell.
Bert Rhine hörte es, konnte aber den angerichteten Schaden nicht sehen. Er blickte mich deshalb spöttisch an und fauchte: »Noch was auf den Kopf gefällig?«
Was jetzt geschah, hätte überhaupt nicht in einem günstigeren Augenblick kommen können. Zuerst zersprangen die Backbord- und dann die Steuerbordbrassen der Bagienrahe, und als das mächtige Stück Stahl wild hin und her geschleudert wurde, drehten sich Bert Rhine und seine Kameraden schnell um und sanken buchstäblich in die Knie vor Angst. Im nächsten Augenblick zersprangen die Toppenanten und die Schoten des Mitteluntermarssegels, und als das Schiff sich beim Stampfen auf den Kopf stellte, fiel das Rundholz auf Deck und zerschlug die Laufbrücke. Das war den Banditen etwas Neues – mir übrigens auch.
»Macht lieber, daß ihr wegkommt«, brüllte ich höhnisch. Und die drei sahen erschrocken nach oben, welches Rundholz sie jetzt auf den Kopf bekommen würden.
Das Untermarssegel, dessen Schot von der fallenden Bagienrahe zerrissen worden war, hatte sich aus den Lieken gerissen, wurde nach Luv geschleudert und machte einen solchen Lärm, daß die drei Meuterer nicht ohne Grund befürchten mußten, die Rahe gleich herunterstürzen zu sehen. Der Führer der Banditen war freilich kein Seemann, aber doch gescheit genug, um die Gefahr zu erkennen. Er sah mich an. Und wenn ich ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen will, muß ich einräumen, daß er seine Ruhe ganz bewahrte, selbst jetzt, da die ganze Takelung verloren schien.
»Ich denke, wir werden das Takelwerk trimmen«, erklärte er schließlich.
»Laß die Leute auch die Reuel und Oberbramleesegel bergen«, flüsterte Margaret mir ins Ohr.
»Wenn ihr oben seid, könnt ihr ja ebensogut gleich die Reuel und Oberbramleesegel bergen«, rief ich ihnen zu. »Aber
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