Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
spüren können. Die Kraft dieses Ozeans und die riesigen Wellen überwältigten mich, denn bisher hatte ich nur die Ostsee gekannt und das war überhaupt kein Vergleich. Ich hätte so gern überall verweilen mögen, aber das erlaubte uns die Zeit nicht. Wir mussten weiter, weiter nach San Diego. Robert liebte diese Stadt über alles und war schon sehr oft dort gewesen. Damals, als er mit seiner Familie in Mexiko in Cabo San Lucas gelebt hatte, war er oft zum Einkaufen hochgefahren. Cabo war 1990 noch ein kleines Fischerdorf und die Einkaufsmöglichkeiten waren dort ziemlich begrenzt. Alles, was es in den wenigen kleinen, typisch mexikanischen Mercados, den „Tante-Emma-Läden“, nicht gab, musste aus den USA geholt werden. So unternahm Robert dann alle zwei Monate diese Einkaufsfahrt. Ich konnte mir immer gar nicht vorstellen, eine Woche lang rund 1600 km nur zum Einkaufen unterwegs zu sein!
Die einzige Straße von Cabo nach San Diego ist die Mex-1, die erst 1973 gebaut wurde. Diese schmale Straße schlängelt sich streckenweise in Serpentinenkurven durch einsames Gebirge oder durch Wüstenlandschaften. An manchen Stellen ist sie ausgewaschen vom Regen der Hurrikans und ständig machen Schilder darauf aufmerksam, langsam zu fahren und die gefährlichen Kurven zu beachten. Man nennt sie auch „eine der letzten Abenteuerstraßen der Welt“. Die Abenteuer auf dieser Straße konnten auch schon mal sehr gefährlich werden. Ob sie sich auch uns als Abenteuerstraße zeigen würde, sollte ich ja nun bald selbst erleben, und der Gedanke daran machte mir Angst, aber einen anderen Weg gab es nicht.
In San Diego nahmen wir uns eine Woche Zeit, um viele Einkäufe zu erledigen. Dabei war es mir unvorstellbar, wo wir noch etwas verstauen sollten. Unser Jeep war für mich eigentlich schon so voll, voller ging es gar nicht. Aber Robert meinte: „Da passt noch viel rein und das Auto hätte ja auch noch ein Dach.“ Aber wo sollten wir dann noch sitzen und schlafen in unserem fahrbaren Zuhause?
Wir wussten, dass das Haus, das uns in Mexiko erwartete, in einem sehr schlechten Zustand war. Niemand hatte sich die ganzen Jahre so richtig für alles verantwortlich gefühlt. Bald jedes Jahr hat ein anderer dieses Haus verwaltet und das hinterließ natürlich seine Spuren. Wie schlimm es wirklich aussah, das erfuhren wir erst bei unserer Ankunft. Der letzte Verwalter hatte das große Anwesen fluchtartig verlassen. Nicht wegen der Arbeit auf dem Grundstück, sondern weil er ein Betrüger, Verbrecher und Mörder war. Er wurde von Interpol gesucht und versteckt sich bis heute noch irgendwo in der Wüste. Diese Vorstellung hatte nun meine Gedanken nicht gerade ruhig werden lassen. Was ist, wenn er doch immer noch im Haus lebt und uns mit einer Pistole empfängt? Ich gruselte mich fürchterlich. Nachbarn hatten beobachtet, wie er vor seiner Flucht Möbel, Fernseher und andere wertvolle Gegenstände ausräumte. Diese Dinge hatte der Mann sicherlich irgendwo zu Geld gemacht. Wir beide erzählten viel von ihm, aber bis heute scheint er mir wie eine imaginäre Gruselfigur aus einem schlechten Krimi.
So viel stand fest: Ein schönes gepflegtes Anwesen erwartete uns nicht. Unsere gemeinsame Aufgabe sollte es sein, das Haus zu renovieren und so zu gestalten, dass in möglichst kurzer Zeit dort Gäste ihren Urlaub verbringen könnten. Alles, was fehlte, kauften wir in San Diego ein. Von Heinz, dem die Villa gehörte, erhielten wir die nötigen Finanzen. Es war Stress pur. Morgens früh aufstehen, das amerikanische Frühstück hinunterschlingen und dann los. Alle möglichen Baumärkte und Kaufhäuser abklappern. Ich hatte schon Blasen an den Füßen und so ziemlich die Nase voll von den vielen Einkäufen. Mittags kurz ein Fastfood-Restaurant gesucht und weiter ging es auf dem Shoppingtrip. Von den USA war ich sehr begeistert, aber an das Essen dort werde ich mich wohl nie gewöhnen. Es ist so labberig, fett, süß oder schmeckt nach Zimt. Aber es gab ja keine andere Wahl und für ein gutes Essen wollten wir nicht das nötige Geld ausgeben und Zeit verschwenden. Gardinenstangen, Bettwäsche, Wasserpumpen, Werkzeuge, Handtücher und so viele andere Dinge fanden noch einen Platz im Auto. Nach jedem Einkauf war ich sprachlos, dass tatsächlich noch mehr in unseren Jeep hineingepasst hatte. Aber Robert ist ein Packkünstler und hat die Gabe, beim Packen des Autos so vorzugehen, als wären die
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