Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Pause. Ich musste dringend und Robert wollte jetzt auch endlich mal weg vom Steuer, aussteigen und die Beine strecken. Allerdings war mir noch nicht ganz klar, wo ich meinen Kaffee raus lassen sollte. Ich traute mich nicht weg von der Straße und rein in die Wüste, wo Schlangen, Echsen und Skorpione lebten. Also hockte ich mich einfach mit meinem Erfrischungstuch in der Hand an den Rand der Straße. Da fast nie ein Auto oder ein Mensch uns in dieser Einsamkeit begegnen würde, war das auch kein Problem. Robert hatte aber nicht nur getrunken, sondern auch seine Brötchen gegessen, und wollte daher etwas mehr Privatsphäre. Also ging er mit einem feuchten Tuch rein in die Wüste mit den riesigen Kakteen. Wer niemals wirklich vor so einem Kaktus gestanden hat, der kann sich nicht vorstellen, wie beeindruckend diese sind. Man muss einfach davor stehen, um zu begreifen, wie klein man eigentlich ist. Diese Kakteen leben hier in der Trockenheit, immer auf demselben Platz und das oft über zweihundert Jahre lang. Baja California trägt auch den Namen „Kakteengarten Mexikos“. Hundertzwanzig verschiedene Arten wachsen hier und die faszinierenden Riesenkakteen haben die meisten schon in einem der zahlreichen hier gedrehten Western bewundern können.
Ich trank gemütlich einen Cappuccino aus der Flasche und genoss den Blick auf die großen Riesen. Da hörte ich plötzlich einen Schrei aus der Wüste. Robert lief mit runtergelassenen Hosen zum Auto und in der Hand hielt er immer noch das unbenutzte Feuchttuch. In dem Moment, wo er sich ganz entspannt seinem wichtigen Geschäft hatte widmen wollen, entdeckte er eine Klapperschlange, die sich auf ihn zu schlängelte. Na, ich wusste schon, warum ich mich nicht weit vom Auto entfernt hatte! Und Robert sah dies nun genauso.
Nach dieser Pause waren wir froh und glücklich, endlich wieder in unserem sicheren, kleinen, fahrbaren Zuhause zu sein. Weiter ging es auf der Abenteuerstraße durch die Wüste. Ich genoss meinen lauwarmen Cappuccino und merkte gar nicht, dass Robert langsam unruhig wurde. Der Benzintank leerte sich immer mehr und wir mussten dringend tanken. Das hört sich ja ganz einfach an, aber in dieser Einsamkeit kann das schnell zum Problem werden. Wir hatten versäumt an jeder Tankstelle, die auf dem Weg lag, zu tanken, auch wenn es nur wenige Liter gewesen wären. Die nächste
Möglichkeit war sicherlich irgendwo in der Wüste, nur wann würden wir sie erreichen? Kein Auto auf der Straße, nur unseres. Robert schaltete die Klimaanlage ab, um Benzin zu sparen, aber das war natürlich keine Lösung. Er dachte sich: Wenn man schon keinen großen Ast hat, an den man sich klammern kann, dann soll es wenigstens ein Strohhalm sein.
Endlich, ganz in der Ferne, waren Umrisse von Gebäuden zu erkennen, die auf eine kleine Ortschaft hinwiesen, in der vielleicht auch eine Tankstelle war. Aber eben nur vielleicht. Es war keine Ortschaft, sondern ein Militärstützpunkt der Mexikaner. Und das bedeutete in unserer Situation nichts Gutes. Mein Adrenalin stieg wieder ganz schnell in die Höhe, denn wir wurden von zwei grimmig aussehenden Soldaten mit Maschinenpistolen zum Anhalten aufgefordert. Da standen sie nun vor uns mit ihren Uniformen, die farblich dem Sand der Wüste angepasst waren, die Stahlhelme tief ins Gesicht gezogen und eine todernste Miene aufgesetzt. Mein Horrorgedanke war: Hoffentlich wollen die jetzt nicht das ganze Auto durchsuchen! Das war schließlich bis unters Dach voll bepackt mit Dingen, die auch für die Soldaten sehr interessant sein konnten. Auch wenn wir nicht von diesem unfreiwilligen Stopp begeistert waren, zeigen durften wir unseren Unmut auf keinen Fall. Immer freundlich sein und den Aufforderungen folgen, das war jetzt wichtig.
Die Aufmachung der Soldaten war respekteinflößend. Doch wenn ich in die Gesichter sah, dann guckten mich fast noch Kinderaugen an. Junge Männer, die vielleicht gerade erst achtzehn Jahre alt waren, und hier in der Wüste ihren Dienst taten. Diese Jungs mit den Kinderaugen, den Stahlhelmen auf dem Kopf und den Maschinenpistolen in den Händen wollten von uns wissen, ob wir Waffen oder Drogen im Auto hatten. Was war das denn für eine Frage? Welcher Dealer oder Waffenschmuggler würde hierauf wohl Ja antworten? Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich mir das Lachen nicht verkneifen können. Nein, wir hatten keine Drogen und auch keine Waffen.
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