Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
darauflegte.
Die Mex-1 schlängelte sich weiter durch die Einsamkeit und wir machten an einer Stelle Rast, wo acht Kreuze geschmückt mit Blumen und brennenden Kerzen aufgestellt waren. Endlich wieder mal die Beine lang machen und ein wenig laufen, auch wenn es nur für kurze Zeit war. Ich wollte mir den „Friedhof“ ansehen und gleichzeitig spüren, was an einem bestimmten Tag dort passiert war. Vor mir lag eine Schlucht und tief unten im Abgrund ein ausgebranntes Auto. Meine Gedanken waren bei diesen acht Menschen, deren Leben hier abrupt ein furchtbares Ende gefunden hatte. Das war nicht das einzige Mal, dass wir Autos sahen, die in der Tiefe eines Abgrunds lagen, und niemand würde sich jemals die Mühe machen, sie zu entsorgen. Ich zitterte, wollte die Pause beenden und die Gedanken an die Toten aus meinem Kopf vertreiben. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen und die tief stehende Sonne gab der bizarren Landschaft mit den riesigen Kakteen einen ganz besonderen Schein. Die erste Nacht auf unserer Reise durch die Halbinsel erwartete uns. Ich hatte nur den einen Gedanken: Für uns sollte hier niemals ein Kreuz stehen! Wer sollte es auch aufstellen und mit Blumen schmücken?
Wir waren beide schon sehr müde und immer wieder fiel ich in einen Sekundenschlaf. Es war schon dunkel und die Straße schlängelte sich in scharfen Kurven durch die finstere Nacht. Auf einmal sahen wir vor uns ein Hindernis, welches aussah wie zwei große Steine. Sie lagen vor der nächsten Haarnadelkurve und daneben befand sich ein tiefer Abgrund. Robert ging vom Gas runter und näherte sich langsam diesen seltsamen Gebilden. Es waren aber keine Steine, sondern eine tote Kuh, die da jetzt in zwei Teilen vor uns lag. Ein großer Truck musste dieses Tier mit seiner ganzen Kraft zerlegt haben. Der Anblick war grausam und ekelerregend zugleich. Viele Kühe finden so ihr Ende auf dieser Halbinsel und besonders auf der Mex-1. Man sieht sie tot am Rande liegen und der Geruch der Verwesung verpestet die heiße Wüstenluft. Wir hofften nur, dass wir in dieser Nacht keine solche Begegnung haben würden.
Es war schon fast Mitternacht und wir wollten uns ausruhen. Der Nachthimmel in der Wüste ist unbeschreiblich schön und niemals erschienen mir die funkelnden Sterne am Himmel so nah. In Ehrfurcht und Bewunderung schaute ich verzaubert in das unendliche Universum, bis eine Sternschnuppe mich wieder in die Realität zurückholte. Sie erstrahlte am Horizont und ihr leuchtender Schweif zog sich durch den dunklen Himmel und ließ mir die Zeit, einen Wunsch in das Firmament zu senden. Robert saß nun schon viel zu lange am Steuer und er brauchte unbedingt eine Pause. Wenigstens ein paar Stunden entspannen und vielleicht auch etwas schlafen, soweit das im Sitzen mit hochgestellter Rückenlehne möglich war. Während er sofort einschlief, machte mich die einsame, stille Nacht eher unruhig. Obwohl niemand weit und breit zu sehen war, wusste ich, dass Überfälle auf der Mex1 doch keine Seltenheit waren. Da wir mit unserer begehrenswerten Ladung eine reiche Beute sein könnten, stieg ich aus und hielt Wache. So stand ich da und war wieder vollkommen auf das Universum fixiert, bis ich ein zartes Krabbeln an meinem Fuß wahrnehmen konnte. Meine Hand griff spontan dorthin und mit einem Aufschrei des Entsetzens stellte ich fest, dass sich ein Skorpion dorthin verirrt hatte. Zu meinem Glück konnte ich ihn abschütteln und in die Flucht schlagen. Aber Robert war inzwischen hellwach und ich wollte nur noch im Auto sein. Keinen Sternenhimmel mehr sehen und auch keine Wache mehr halten. Nur noch weiter, raus aus der Wüste und weg von den vielen Kreaturen, die sich da tummelten. Ein Motel, eine Dusche, einen frischen Kaffee und ein Bett, das wünschte ich mir. Doch leider gab es all das in dieser Einsamkeit hoch oben in den Bergen nicht. Stattdessen fuhren wir weiter. Immer wieder mussten wir anhalten und warten, bis eine Herde von Rindern die Straße freigab. Viele suchten in dieser Nacht an der Mex-1 nach etwas Essbarem und einige lagen bereits tot am Straßenrand. Den Verwesungsgeruch nahmen wir meist lange vorher wahr. Später erst sahen wir dann die Kuh, die mit aufgeblähtem Leib im Staub lag. Die Geier warteten auf den Kakteen, um sich auf diese fette Mahlzeit zu stürzen. Ich fühlte mich schmutzig und sehnte mich nach Wasser, um alles von mir abzuwaschen. Die ganzen schlimmen Bilder sollte es wegspülen, aber diese
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