Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Vorteil, dass der Zollbeamte uns kannte, da wir oft auf dem Flughafen waren, um Bekannte und Freunde abzuholen oder hinzubringen.
Die Ausrede, die ich mir hatte einfallen lassen, war eigentlich ziemlich lächerlich. Ich versuchte, dem Mexikaner weiszumachen, dass mein Mann an einer seltsamen Krankheit leide und nur geheilt werden könne, wenn er diese deutschen Würste, den Schinken, die Salami, die Schokolade und das Marzipan zu sich nehme. Mit todernster Miene erzählte ich ihm diese Lügengeschichte. Ob er mir diese wirklich abnahm, werde ich nie erfahren. Aber das spielte auch keine Rolle. Ich durfte die „deutsche Medizin“ wieder einpacken!
Als ich dann in Roberts Armen lag, war ich erschrocken. Mein Mann hatte in den drei Wochen Einsamkeit so viel abgenommen, dass nun tatsächlich die Delikatessen aus Deutschland für ihn ganz wichtig waren, um wieder zu Kräften zu kommen. Zwei wunderbare Tage lagen vor uns, und während dieser Zeit konnten wir unser Wiedersehen so richtig genießen, dann stand Weihnachten vor der Tür.
Wenn andere Menschen große Feste feiern, müssen wir feste arbeiten. Daran haben wir uns gewöhnt und darum richten wir uns auch nicht nach dem Kalender, sondern planen die Feiertage so ein, wie es uns und unserem Terminkalender gefällt. Ich fühlte mich in meiner zweiten Heimat und an Roberts Seite wieder so richtig geborgen. Mein Mann hatte mir so einen herzlichen Empfang vorbereitet und mir war, als ob schon Weihnachten sei. Als ich in Deutschland war, hatte ich mir ausgemalt, wie Robert traurig und einsam zu Hause sitzt und die Tage zählt, bis wir uns wiedersehen. Aber ganz so muss es dann doch nicht gewesen sein. Traurig war er sicherlich, aber untätig in der Ecke hatte er bestimmt nicht gesessen. Denn wenn er allein ist, dann entwickelt mein Mann fast immer ungeahnte Kräfte. Isst wenig, schläft kaum und arbeitet dafür wie ein Besessener, fährt mit dem Auto herum, lernt neue Menschen kennen und knüpft neue Kontakte. Das könnte ich nie und ich bewundere ihn, wie er mit dem Alleinsein umgehen kann. So war die Terrasse neu gestrichen, frische Blumen waren gepflanzt und so viele andere Kleinigkeiten hatten sich durch Roberts Tun verändert. Mein Weihnachtsgeschenk für ihn waren die Delikatessen aus Deutschland.
Ich bekam von ihm einen großen Bildschirm für meinen Computer, weil meine Augen ja nicht mehr ganz „frisch“ sind und so benötige ich jetzt keine Brille mehr, wenn ich am Computer arbeite. Total super und ein neues Lebensgefühl!
Unser kleines Weihnachten zu zweit war ganz anders als in einer großen Familie, aber vielleicht gerade deswegen wunderschön. Und Robert hatte mir noch eine weitere große Freude gemacht. Im neuen Jahr hatte ich meine erste Ausstellung in einem Hotel! Das war natürlich der große Knaller für mich und bei dem Gedanken daran war ich jetzt schon nervös und aufgeregt, denn bis dahin war noch viel zu tun. Doch wir beide zusammen würden das schon schaffen und Sylver, der mir immer noch Unterricht gab, wollte uns auch zur Seite stehen.
Robert hatte während meiner Abwesenheit auch endlich einen Mieter für das kleine Apartment im Keller gefunden. Wir hatten uns schon lange darum bemüht, hatten aber keinen finden können. Auf Annoncen meldeten sich immer die verrücktesten Typen, die wir hier bei uns im Haus nicht unbedingt haben wollten. Bevor wir uns mit ihnen herumärgerten, sollte die Wohnung lieber leer stehen. Aber nun hat es geklappt, und mein Mann hatte einen deutsch sprechenden Engländer kennengelernt, der im Januar bei uns einziehen wollte.
Ich fand es schön, dass er auch deutsch sprach und ich mich nicht mit meinem Denglisch abquälen musste. Mike war alleinstehend und in unserem Alter. Sehr gepflegt, anständig, ruhig und höflich. Er war gerade angereist, wohnte noch im Hotel und hatte auf die Schnelle eine Wohnung gesucht. Aber nicht nur irgendeine Wohnung, sondern eine mit ein wenig Familienanschluss, um nicht so allein zu sein. Worauf wir uns da allerdings einließen, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Im Laufe der Zeit entwickelte er sich zu einer mittleren Katastrophe. Die ersten Tage zeigte er sich noch von seiner allerbesten Seite und wir lebten harmonisch nebeneinander daher. Allerdings wollte er jeden Tag von Robert morgens um sieben Uhr zu seiner Arbeit gefahren werden, da er noch kein Auto hatte. Wir haben
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