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Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)

Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)

Titel: Mexiko, mein anderes Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klimm
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zu mir hochgeschlichen, weil er nicht warten konnte, bis ich endlich von allein aufwachte. Er war so glücklich, dass ich wieder hier war, und wollte mich nicht mehr loslassen. Wir hatten uns beide so sehr vermisst und wollten jetzt alles nachholen. Natürlich ging das nicht, aber das sprachen wir nie aus, obwohl es uns immer bewusst war.
           Nach drei Tagen hatte ich mich eingelebt und auch den Jetlag überstanden. Ich wollte Simone sehen und fuhr mit der Bahn zu ihr, da sie schon lange nicht mehr in meinem Heimatort wohnte. Wir hatten uns in unserem italienischen Lieblingsrestaurant verabredet. Dort hatten wir uns jahrelang in regelmäßigen Abständen getroffen, um uns unsere Freuden, unseren Kummer oder unser Leid anzuvertrauen. Dort, wo wir früher geredet, gelacht und geweint hatten, wollten wir uns wiedersehen. Simone rauschte wie ein blonder Engel durch die Tür und mich erfüllte Stolz darüber, eine so große, erwachsene Tochter zu haben, die ihren Weg in diesem Leben gefunden hat. Wir quatschten so lange, bis das Lokal schließen wollte und alles war wie früher.
           Von Freunden und Bekannten hatte ich sehr viele Einladungen, alle sollte ich besuchen, aber das war mir erst einmal nicht so wichtig. Ich wollte zunächst die ganze Zeit meiner Familie schenken. Ich hatte keine großen Pläne und wollte nur die einfachen Dinge des Lebens tun. Mit meiner Mutti spazieren gehen, wieder mein Fahrrad aus dem Schuppen holen, die Blumenverkäuferin an der Ecke besuchen, beim Fleischer Jagdwurst und beim Bäcker richtiges dunkles Brot mit vielen Sonnenblumenkernen kaufen.
           Ich wollte mit allen Menschen, die mir begegnen und die mich kennen, reden und manchmal auch tratschen über die neuesten Neuigkeiten hier in der Provinz. Einfach nur da sein und den Moment ganz bewusst genießen. Aber es war ja Winter. Ein Winter ohne Schnee, aber mit viel Regen, Sturm und Kälte. Da war das Reden und Tratschen auf der Straße mit dem Regenschirm, der ständig umklappte, auch nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Außerdem waren es die Tage kurz vor Weihnachten und die Menschen waren davon getrieben, die letzten Geschenke zu ergattern und das besinnliche Fest hetzend und jagend vorzubereiten.
           Was ich erlebte, war nur Stress und keine Besinnlichkeit. Die Mexikaner feiern das Weihnachtsfest ganz anders, denn sie genießen jeden Tag der Vorweihnachtszeit, ohne Stress und der Sinn dieses Festes ist dort noch nicht verloren gegangen. Wenn aber die Menschen in Deutschland durch dieses schöne Fest so leiden müssen, könnte es eigentlich auch abgeschafft werden. Aber ich wollte jetzt in Deutschland das Weihnachten so leben, wie ich es in Mexiko kennengelernt hatte. Ruhig, besinnlich und ohne Hektik. Meine Familie und ich haben dafür den Heiligabend einfach vorverlegt, weil ich an Weihnachten wieder bei Robert in Mexiko sein würde. Wir hatten ein großartiges Fest. Feiern müssen ja nicht unbedingt so fallen, wie der Kalender es vorschreibt. Unser kleines Weihnachtsfest war viel zu schnell vorbei und ich versuchte, jede Minute und jede Stunde mit meiner Familie ganz bewusst zu erleben. Nicht nur ich, auch meine Kinder, meine Eltern und mein Bruder waren so froh, dass wir zusammen sein konnten. Aber trotzdem spürte ich einen Wermutstropfen: Robert fehlte mir. Ich hatte es mir sehr gewünscht, einmal diese schönsten Tage des Jahres mit meinem Mann, meinen Kindern und meinen Eltern zu verbringen. Doch ich weiß auch, dass dieser Wunsch sich sehr wahrscheinlich nie erfüllen wird. Je länger ich in Deutschland war, umso schwerer fiel es mir, mich diesem Leben in meiner Heimat anzupassen. Entweder ich hatte mich entfremdet oder die Menschen hatten sich verändert. Oder das Land und ich passten nicht mehr zusammen, weil mir die mexikanische Lebensweise einfach vertrauter geworden war. Mir fehlte die Leichtigkeit, das Unkomplizierte, die Freiheit, so zu sein, wie ich wollte. In meiner kleinen Heimatstadt wurde alles und jeder beurteilt, und wenn ich aus dem Haus gehen wollte, überlegte ich vorher genau, was ich anziehen könnte, das nicht auffiel und zu den Menschen in dieser Kleinstadt passte. Nicht so viel Schmuck, nur einen fast unsichtbaren Lippenstift, keine hohen Schuhe und eben alles ganz unscheinbar. Und das nervte mich, weil ich das gar nicht mehr gewohnt war.
           Viele Menschen machten einen unzufriedenen Eindruck, und wenn ich so unbewusst die Gespräche mithörte,

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