Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
begleichen können.
Kapitel 31
In der nächsten Zeit versuchten wir, Ernesto und seine Scheinfirma zu vergessen. Wir wollten über den finanziellen Verlust nicht mehr nachdenken und auch nicht über die menschlichen Enttäuschungen, denn wenn man sich die schlimmen Momente des Lebens immer wieder vor Augen führt, kann man daran auch zugrunde gehen.
Wir verloren auch die Hoffnung nicht, wieder neue Menschen kennenzulernen, mit denen sich eine ehrliche Freundschaft entwickeln könnte. Aber der Glaube, dass wir das hier noch erleben würden, lag erst einmal auf Eis und der so oft zitierte Satz von Schopenhauer „Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere“ sollte zumindest die nächste Zeit zu unserer Lebensdevise werden. Sicher hatte der große Philosoph ähnliche und zugleich völlig andere Lebenserfahrungen gemacht wie wir. Wurde hintergangen und verletzt, bis er zu der Erkenntnis kam, dass ein Tier nie so falsch und hinterhältig sein kann wie ein Mensch. Nun zogen wir uns in unsere kleine Welt zurück, in die Welt mit unserem Schäferhund Picasso. Er war sozusagen unser gemeinsames Kind, das wir nicht mehr haben konnten, und gab unserem Leben einen ganz besonderen Sinn. Durch ihn bekamen Robert und ich eine Aufgabe, die wir gemeinsam, ähnlich wie man sie als Eltern bei einem Kind hat, erfüllen konnten. Wir erlebten mit ihm gute und auch schlechte Zeiten und er mit uns sicherlich auch. Es war nur schade, dass er nie mit uns darüber sprechen konnte, was wir alles falsch machten. Und wir machten viele Fehler. Ganz besonders ich, da ich sehr unerfahren im Umgang mit Hunden war und mein Eifer und mein Ehrgeiz oft in die verkehrte Richtung liefen.
Ich wollte alles perfekt machen, einen Hund haben, wie Rex aus dem Fernsehen. Picasso war zwar ein Schäferhund, aber dass ich nie einen Polizeihund aus ihm machen konnte, wurde mir erst viel später bewusst. Doch vielleicht konnte es ein anderer schaffen, denn es gab ja auch hier in Mexiko Hundetrainer, die ihm das beibringen könnten, wovon ich träumte. In einer Zeitungsannonce wurde ich auf einen Hundeflüsterer aufmerksam. Das war genau das, was wir suchten! Als dieser Mann dann aber vor mir und Picasso stand, kamen mir doch einige Zweifel. Seine bullige Erscheinung und die laute Art, wie er schon mit uns sprach, erinnerten auch nicht im Entferntesten an einen Flüsterer. Und nach der ersten Trainingsstunde, wurde mir klar, dass das, was er mit Picasso anstellte, nicht der richtige Weg war. Außerdem gingen unsere Meinungen über den Umgang mit Hunden total auseinander. Dieser Trainer war der Ansicht, dass ein Hund wie ein Soldat militärisch korrekt und in völliger Unterwürfigkeit zu gehorchen habe. Wenn nicht, müsse man es mit Gewalt einfordern. Mit militärischem Ton und ständigem Hochziehen am Halsband sollte Picasso fügsam gemacht werden. Das endete in einem Fiasko, denn als Belohnung nach dieser nicht enden wollenden, qualvollen Stunde pinkelte Picasso dem „Flüsterer“ direkt auf die Schuhe.
In einer zweiten Stunde wollten wir uns, dem Trainer und Picasso noch eine Chance geben, doch dazu kam es nie. Der Mann kam zur Tür herein und Picasso schaute ihn mit einem Blick voller Verachtung an, um sich kurz danach umzudrehen und sich in seinen Korb zu legen. Ganz fest schloss er die Augen und stellte sich so lange schlafend, bis der Trainer sich von uns und wir von ihm für immer verabschiedet hatten. Nach einiger Zeit wagten wir einen erneuten Versuch mit einem anderen Trainer. In der Hoffnung, dass nun endlich die große Erleuchtung kommen würde, war ich schon vorher wieder furchtbar aufgeregt. Der Tag war da und auch der Trainer. Ein ganz kleiner, zarter Mexikaner stand leise und schüchtern in der Tür und fragte ganz ängstlich, ob ihm denn der Hund auch nichts tun würde, denn mit Schäferhunden habe er keinerlei Erfahrung. Picasso lag wieder in seinem Korb und blinzelte mit nur einem Auge diesen zarten, kleinen Mann an. Dann kam er langsam auf uns zu, legte sich vor den kleinen Mann hin und leckte ihm die Füße ab. Dieser war sichtlich erleichtert, als wir uns auch von ihm für immer verabschiedeten. Der würde uns ganz gewiss auch nicht helfen können!
Immer mehr wurde uns bewusst, dass wir es allein schaffen mussten. Picasso war auch ein ganz lieber Hund, nur lebte er wie ein autistisches Kind in seiner eigenen Welt. Niemals wollte er spielen, toben oder Dummheiten
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