Mia - Vom Schicksal gezeichnet (Buch 1) (German Edition)
musste. Wir wussten, dass auch die Wächter
in der Nähe waren. Wir vermieden es immer, ihnen in die Quere zu kommen. Obwohl
wir eigentlich denselben Feind haben, waren sie nie gut auf uns zu sprechen.“
Er machte eine Pause, als würde er sich noch an etwas anders erinnern. „Dann
sah ich ihn. Einen Mann. Er lag auf Knien und hielt eine Frau in den Armen.
Unendliche Trauer ging von ihm aus und ließ mich innehalten. Als er meine
Anwesenheit bemerkte, blickte er auf und ich sah in seinen grünen tränenden
Augen eine solche Verzweiflung.“
„Gabe.“, flüsterte
ich.
„Die Menschenfrau in
seinen Armen lag im Sterben. Eine tiefe Wunde klaffte in ihrem Bauch und ihr
Blut sickerte unaufhaltsam zu Boden. Ich wollte mich abwenden, doch der Wächter
hielt mich auf. Er flehte mich an sie zu retten, zu heilen oder … zu
verwandeln.“
Wie groß musste die
Verzweiflung in Gabe gewesen sein, wenn er Lucien, einen Schwarzen Krieger, um
Hilfe anflehte? Eine Träne lief über meine Wange. Hatte Gabe diese Frau
geliebt?
„Um sie zu heilen,
war sie zu schwer verletzt. Menschen ertragen einen so großen Blutverlust nicht
sehr lange. Die einzige Möglichkeit ihr das Leben zu retten bestand darin, sie
in eine Vampirin zu verwandeln. Ich kniete also neben sie und sah in diese
blauen Augen, die mich voller Angst anblickten. Ich konnte sehen, dass sie
erkannte, wer oder was ich war und ich wusste, dass es nicht die Angst vor dem
Tod war, die ihre Augen schreckgeweitet starren ließen. Ich fragte sie, ob sie
dazu bereit sei, ein anderes Leben, zu leben. Mit der letzten Kraft die sie
aufbringen konnte, flehte sie mich an, ihr Frieden zu schenken. Sie zog den
Tod, den ewigen Schlaf, wie sie es nannte, einem Leben als Vampirin vor. Und so
war es dann auch. Sie schloss die Augen mit einem Lächeln im Gesicht. Ihre
letzten Worte waren ein Danke.“
Weitere Tränen
liefen über meine Wange. Stille Tränen, die dem Kummer eines anderen galten.
Gabe. Kein Wunder, dass er Lucien verurteilte. Er hatte eine Geliebte verloren
und das, obwohl er eine Möglichkeit sah, sie zu retten. Auch wenn sie es nicht
wollte, litt er unter dem Verlust und gab Lucien die Schuld dafür. Aber Lucien
hatte richtig gehandelt. Es wäre falsch gewesen, ihren letzten Wunsch nicht zu
erfüllen. Ihren Wunsch nicht zu respektieren.
„Die Jäger der
Wächter und wir, die Schwarzen Krieger, wir waren uns vorher schon aus dem Weg
gegangen. Aber wir hatten so etwas wie, Respekt vor einander. Doch seit
diesem Zwischenfall, hasst mich Gabriel … und ich kann ihn sogar verstehen …
jetzt.“ Seine Stimme war noch immer leise, fast traurig.
Er musste es nicht
aussprechen, damit ich verstand, was er mit seinem letzten Satz sagen wollte.
Zanuk hatte mir erklärt, das Schwarze Krieger, keine Gefühle, wie Liebe oder
Zärtlichkeit verspürten. Doch nun, da ich in Luciens Leben getreten war, wurde
er von Emotionen überrollt.
„Wie ist es für dich
… zu fühlen?“, fragte ich vorsichtig, da ich nicht wusste, wie er meine Frage
auffassen würde.
Wieder schwieg er,
als würde er seine Antwort bedenken.
„Es ist, als wäre
man blind geboren. Die Welt war Jahrhunderte lang ein vertrautes Dunkel, indem
man glaubte, alles zu kennen. Doch plötzlich erhält man die Fähigkeit zu sehen.
Das grelle Licht, das nie zuvor die Augen berührt hatte, schmerzt, blendet
einen und man erstarrt. Es lässt einen zurückschrecken und sich wünschen, man
hätte das Licht nie zu Gesicht bekommen. Nie kennengelernt.“
Ich konnte nicht
verhindern, dass mich seine Worte traurig stimmten. Denn er sprach von den
Gefühlen, die ich in ihm ausgelöst hatte, und seine Worte vermittelten den
Wunsch, dass ich nie in sein Leben getreten wäre.
„Doch schlimmer als
dieser Schmerz ist die Tatsache, dass man nicht versteht.", sagte er.
"Man fühlt Dinge, die keinen Sinn ergeben, einen nur verwirren, einen
schwach machen. Und wieder fragt man sich, ob es nicht besser gewesen wäre,
wenn man weiterhin im Dunkeln, das einem so vertraut war, durch die Welt
zieht.“
Ich fand keine
Worte, war wie erstarrt über seine Offenheit und Erklärung, die mir aufzeigte,
wie schwer es für ihn sein musste, plötzlich im Licht zu stehen.
„Freundschaft?“,
fragte er unvermittelt.
„Wie bitte?“
„Du hast gesagt,
dass es mehrere Arten gibt, zu lieben. Freundschaft ist eine davon.“ Seine
Stimme klang nüchtern, fast wieder emotionslos und erinnerte an die eines
Schülers, der etwas über Beziehungen
Weitere Kostenlose Bücher