Mia - Vom Schicksal gezeichnet (Buch 1) (German Edition)
Lippen. „Unser einer ist
schon so lange auf der Welt, dass er die wahren Dinge nicht mehr sieht. Behalte
dir diese Eigenschaft, Mia.“
Seine Worte
bewirkten, dass ich das erste Mal, seit ich weiß, dass ich sehr, sehr lange
Leben würde, darüber nachdachte, was wohl aus mir werden würde. Wie würde ich
sein, in 50 oder 100 Jahren?
Auf Asrons Geste
hin, folgte ich ihm über die große Wiese. Ein leiser Wind wehte die bunten
Blätter auf, wirbelte sie teilweise durch die Luft und bot ein schönes
Schauspiel, während wir auf eine Baumgruppe zusteuerten, in deren Schutz, ein
Gebilde aus Marmor stand, das augenblicklich meine ganze Aufmerksamkeit
forderte. Es erinnerte an den Eingang eines Mausoleums, wirkte friedlich, doch
eine seltsame Energie schien davon auszugehen, die mich gleichermaßen anzog,
wie abwies.
Unentschlossen
verlangsamte ich meine Schritte und betrachtete die Gravur oberhalb der
riesigen Eingangstür. Es waren Schriftzeichen, Runen oder ähnliches, die
präzise in den Stein eingelassen und mit goldener Farbe ausgemalt waren.
„Was steht da
geschrieben?“, flüsterte ich, und meine Stimme klang viel zu laut, in der
Stille, die sich wie eine schwere Decke über uns gelegt hatte.
„Was uns verbindet,
ist unser aller Schicksal.“, antwortete Asron, ohne einen Blick auf die
Inschrift zu werfen.
Ein Schauer lief mir
über den Rücken, während Asron vor die Eingangstür trat und seine flache Hand
auf den Stein legte.
Als würde dieses
seltsame Gebäude aufseufzend Luft holen, schob sich die Tür mit einem leisen,
fast erleichterten Geräusch beiseite und offenbarte den Eingang zu einem
Tunnel, der tief in die Erde zu reichen schien.
„Komm!“, sagte
Asron. „Hab keine Angst!“
Ich wollte ihm
sagen, dass ich keine Angst hatte, obwohl mir ziemlich unbehaglich zu Mute war,
doch er trat bereits über die Schwelle und wurde von der Dunkelheit
verschluckt.
Nach kurzem Zögern,
folgte ich ihm und zuckte zusammen, als sich die Platte hinter mir schloss.
Doch mit dem letzten Lichtstrahl, der von draußen hereinfiel, entfachten
unzählige Kerzen und erhellten einen schmalen Tunnel, der aus grobem Stein
gehauen, in die Tiefe führte.
Unfähig zu sprechen,
folgte ich Asron nach Unten, wobei unsere Schritte, trotz des harten und leicht
feuchten Bodens, kein einziges Geräusch verursachten. Nach etlichen Stufen
mündete der Tunnel in einer Halle, die mir den Atem raubte. Sie war ein
architektonisches Meisterwerk, das man nicht in Worte fassen konnte. Eine
perfekt geschliffene Halbkugel, aus schwarzem glänzendem Marmor, an deren
Wänden, unzählige Symbole und Zeichen, von einem Licht erhellt wurden, deren
Quelle ich nicht ausmachen konnte. In der Mitte erhob sich eine Art Altar, der
mit dem Untergrund verschmolz, als wäre er aus dem Stein gegossen.
„Das ist Notreija .“,
hörte ich Asron, mit ehrfürchtiger Stimme, sagen: „Die Halle des Schicksals.“
Wieder zog ein
Schauer über meinen Körper, der von einer Energie herrührte, die ich nicht
benennen konnte.
„Du spürst sie!“,
stellte Asron fest. „Die Seelen der Krieger!“
Seine Worte,
zusammen mit der Ernsthaftigkeit, mit der er sie aussprach, ließen mich
frösteln.
„Die Halle existiert
seit wir existieren“, fuhr er fort. „und ist das Heiligste was wir haben. Wenn
ein Schwarzer Krieger stirbt, kehrt seine Seele an diesen Ort zurück. Die
Legende besagt, dass die Seelen es sind, die Einblick in das Schicksal haben,
und uns, durch die Inschriften, einen Hinweis darauf geben, was sein könnte!“
Um mein wachsendes
Unwohlsein zu verbergen, trat ich näher an den Rand, und begutachtete die
Symbole und geschwungenen Buschstaben, die sich nur matt von ihrem
schwarz-grauem Hintergrund abzeichneten. Vor meinen Augen schien die Schrift zu
verblassen und aus den Augenwinkeln sah ich, wie auf einer anderen Stelle neue
Zeichen erschienen.
Erschrocken wich ich
zurück und stieß gegen Asron.
„Was war das?“,
fragte ich flüsternd und versuchte mir einen Reim aus dem zu machen, was ich
gerade gesehen hatte.
„Es verändert
sich!“, sagte er und ging zu der Inschrift, die gerade sichtbar geworden war.
„Du meinst, das
Schicksal?“
„Nein, die
Hinweise.“
„Die Hinweise
wofür?“
„Wir glauben, dass
es mehrere Schicksale gibt, und die Summe der Entscheidungen die jeder trifft,
das Schicksal formt. Manche Punkte sind vorherbestimmt, doch andere wiederum
entstehen erst, wenn gewisse Handlungen eintreten.“
Mein
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