Mia - Vom Schicksal gezeichnet (Buch 1) (German Edition)
Verstand
versuchte zu verstehen, wovon Asron sprach. Im Grunde klang es wie das, was
Zanuk mir einst erzählt hat. „Du meinst, es formt sich erst durch unser Tun?“
Asron nickte. „Ja,
denn nicht alles ist an das Schicksal gebunden. Es ist wie ein Satz mit wenn –
dann. Das Schicksal sagt zum Beispiel: Wenn ich einen Samen einer Sonnenblume
sähe, dann wird daraus eine Sonnenblume werden. Das ist unausweichlich! Es ist
aber unser Handeln, unsere Entscheidung, ob dies auch wahr wird. Wenn ich mich
dazu entscheide, keinen Samen zu pflanzen, wird keine Blume wachsen. Wenn ich
zwar pflanze, aber nicht pflege, wird der Samen vergehen. Es liegt an uns, ob
sich ein mögliches Schicksal bewahrheitet oder nicht.“
Ich erinnerte mich
an die Prophezeiung, die Zanuk mir gezeigt hatte. „Was ist, wenn das Schicksal
den Tod voraussagt?“
Asrons Blick wurde
eindringlich. „Denke an das wenn – dann! Das Schicksal sagt nicht: Du musst
sterben, sondern es prophezeit dir: Wenn du dies oder jenes tust, oder nicht
tust, dann wird das dein Tod sein.“
„Man kann das
Schicksal also umgehen?“
„Man kann es lenken,
wenn man dessen Weg kennt! Doch niemand auf Erden kennt es genau. Als einzige
die Prophezeiungen geben uns einen kleinen Einblick in das, was sein könnte.
Sie sind die Hinweise.“ Er deutete auf die Inschriften. „Doch leider sind sie
nicht sehr direkt. Sie umschreiben vieles, sie sind Metaphern, die wir nicht
oft richtig deuten oder verstehen.“
„Also haben wir im
Grunde nichts!“, flüsterte ich und überlegte, was dies alles für einen Sinn
ergeben sollte. Wenn die Prophezeiungen unverständlich waren, was halfen sie
uns dann. Es war nur etwas, was einem Kopfzerbrechen machte, und einem kein
Ziel vor Augen führte. „Wäre es nicht besser wir wüssten gar nichts, als in
einer Vielzahl von Texten und Symbolen zu wühlen und nicht zu wissen, wie man
was deuten soll?“
Asron nickte und
ging ein paar Schritte weiter, um auf eine Inschrift zu deuten, die dort in
kunstvoll geschwungenen Buchstaben stand. „Vor circa einem dreiviertel Jahr ist
diese Zeile aufgetaucht!“ Er strich mit seinen Fingern darüber und übersetzte
dabei mit leiser, andächtiger Stimme. „Sie wird kommen. Deren Wahrheit als Lüge
bestraft wurde!“
Ein Schauer lief
über meinen Rücken und als Asron seine Hand zurückzog, sah ich das kleine
Symbol, das hinter der Schrift stand. Vier schräg stehende Linien die genau
meinen Narben glichen, die ich auf der rechten Hüfte trug.
Während ich
fassungslos auf dieses Symbol starrte und unbewusst, mit einer Hand über die
Stelle strich, an der es meinen Körper zierte, spürte ich Asrons Blick auf mir
und sah sein vages Nicken. „Tate hat mir von deiner Erinnerung erzählt, und
dass du dieses Zeichen trägst!“
„Wie ist das
möglich?“, fragte ich mit leisem Entsetzen.
Asron ignorierte
meine Frage und ging weiter. „Vor ein paar Wochen ist erneut eine Veränderung
aufgetreten. Seit fast 30 Jahren, war das Zeichen der Wächter – die Sonne – in
unserer Halle. Ihr Auftauchen hat für viel Aufsehen gesorgt, da, wie du
sicherlich weißt, Wächter und Vampire nicht gerade Freunde sind.“
Ich nickte ihm zu
und konnte nicht verhindern, dass sich bei dem Gedanken mein Herz leicht
zusammen zog. Das Gefühl, nicht vollständig jemandem zuzugehören, schmerzte.
„Dann vor circa
einem halben Jahr tauchte in der Sonne ein Dolch auf.“
„Das Zeichen der
Jäger.“, flüsterte ich.
„Ja. Wir dachten es
könnte einen Krieg bedeuten und waren sehr auf der Hut. Doch ein paar Monate
darauf, tauchte ein Halbmond in der Sonne auf und ein Zweiter Dolch kreuzte den
Ersten.“
Während ich auf das
Zeichen an der Wand starrte, das identisch zu dem auf meiner linken Hüfte war,
begann Asron die Worte zu lesen, die darunter standen.
„Geboren aus der
Liebe zwischen Feinden, kehrt sie zurück in die Sonne, um den Mond zu erwecken.
Sie ist der Träger von Licht und Schatten, vereint die Gegensätze, die Zwei
Seelen, unterschiedlicher Völker.“
Asron sah mich an,
während ich ein Loch in die Wand starrte. Mein Verstand wollte nicht glauben,
was er sah und zu hören bekam. Das konnte unmöglich sein. Ich stand hier in
einer Halle, die für sich schon sehr surreal war und dann musste ich noch mit
ansehen, wie von Zauberhand Zeichen verschwanden und neue auftauchten. Und zum
krönenden Schluss, wollte mir Asron noch weiß machen, dass diese Zeichen mein
Kommen vorausgesagt
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