Mia
gewusst, was läuft. Sie ist heute Abend definitiv da«, antwortete Kati stolz.
»Und mit wem?« wollte Mia wissen.
»Ganz allein. In echt, du kannst uns das schon glauben. So’n bisschen Detektivkram ist doch für unseren Justus Jonas und mich überhaupt kein Problem!« überzeugte Chris sie. »Du wirst es ja sehen, wir haben gut recherchiert!«
Mia hätte es gern noch etwas genauer gewusst, aber die beiden hüllten sich in Schweigen.
»Also, gehst du?«
Mia wusste nicht recht. »Und wenn sie doch nicht allein da ist? Ich mach’ mich doch zum Oberhorst, wenn ich sie störe.«
»Keine Angst, vertrau uns einfach!« Die beiden strahlten sie an. Schließlich ließ sie sich überzeugen und willigte ein.
Am Abend betrat sie nervös und mit klopfendem Herzen das Birdland . Die Kneipe war sehr voll, und Mia hatte Mühe, ihre Lehrerin zu entdecken. An einem Tisch in der Ecke saß sie. Allein. Mia fiel fast in Ohnmacht, als sie sie sah. Mein Gott, so schön kann doch keiner sein, dachte sie. Frau Vogt trug einen weinroten Rock, der sehr viel von ihren Beinen zeigte. Dazu ein schwarzes, sehr knappes Trägerhemd mit einem sehr tiefen Ausschnitt. Mia leckte sich die Lippen. Sie konnte ihren Blick kaum abwenden.
Schließlich ging sie zum Tresen, bestellte ein Bier und versuchte sich zu beruhigen. Langsam ging sie dann auf ihre Lehrerin zu. Als sie direkt vor ihrem Tisch stand, schaute Frau Vogt auf. Sie schien sehr überrascht.
»Hallo. Darf ich mich zu Ihnen setzen?« fragte Mia ängstlich.
»Na klar«, antwortete sie. »Bist du öfter hier? Ich habe dich noch nie hier gesehen.«
»Nein«, sagte Mia und setzte sich ihr gegenüber auf die Bank. »Das erste Mal heute. Mir war irgendwie nach Sex . . . äh, ich meine natürlich Jazz.« Mein Gott, wie peinlich, dachte sie. Dieses Hemdchen war aber auch wirklich knapp.
Mia merkte erst, wie sehr sie Frau Vogt auf die Brüste starrte, als diese sich räusperte und fragte: »Wie geht’s dir denn, Mia?«
»Geht so. Und Ihnen?«
Frau Vogt schaute sie lange an. »Genauso«, sagte sie schließlich und lächelte.
Mia wurde schwach. Sie trank schnell ein paar Schluck Bier.
»Warst du meinetwegen nicht in der Schule? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dass ich dich verletzt habe oder dass du mich nie mehr sehen willst. Aus Kati und Christian war auch nicht viel herauszubekommen.«
Mia lächelte. Diese beiden Spacken, dachte sie und trank schnell noch ein paar Schlucke. »Mir ging’s wirklich ziemlich beschissen, weil mir das alles viel zu viel war. Ich wusste nicht mehr, wie ich mich Ihnen gegenüber verhalten sollte. Da bin ich dann lieber im Bett geblieben«, antwortete Mia ehrlich. »Hab’ ich was verpasst?«
Frau Vogt schüttelte den Kopf. »Nur ein bisschen Brecht und Bismarck, aber das holst du schon nach.«
Mia nickte und trank ihr Guinness aus. Sie war immer noch sehr nervös. »Wollen Sie auch noch eins? Ich hab’ so einen Durst«, sagte sie und stand auf. Frau Vogt nickte. Mia verschwand zum Tresen und nutzte die Zeit, um ein paar Mal tief durchzuatmen und sich etwas zu beruhigen.
Als sie wieder am Tisch saß, schaute ihre Lehrerin sie besorgt an und fragte: »Wie soll’s denn jetzt weitergehen? Du musst doch irgendwann wieder in die Schule kommen.«
Mia nickte. »Ja, muss ich wohl. Weiß auch nicht so recht. Irgendwie muss ich wieder klarkommen, aber das ist wahnsinnig schwer. Ich glaub nicht, dass das irgendwann aufhört bei mir. Die Gefühle, meine ich.« Frau Vogt lächelte. Mia trank. »Warum ist das so verdammt kompliziert? Kann das denn nicht einfacher sein?«
Ihre Lehrerin schüttelte traurig den Kopf. »Weißt du, es gibt eben Sachen, die nicht funktionieren können. Und eine Beziehung zwischen Lehrern und Schülern gehört dazu.«
Mia winkte ab. »Das kommt darauf an, was einem wichtig ist, oder? Wenn man natürlich Angst hat, zu sich selbst zu stehen und sich nur darum kümmert, was die anderen sagen . . .« Sie verstummte, als sie Frau Vogts Gesichtsausdruck sah. »Tschuldigung. War nicht böse gemeint.«
Ihre Lehrerin sah ihr direkt in die Augen. »Darum geht es doch gar nicht. Du stellst dir das alles zu einfach vor, aber das ist es nicht . . .«
Sie wollte noch mehr sagen, doch Mia unterbrach sie. »Schon gut, ich hab’s kapiert. Vielleicht sollten wir einfach über was anderes reden.« Langsam spürte sie den Alkohol. Sie stürzte das zweite Bier herunter und beobachtete ihre Lehrerin, die ebenfalls in großen Schlucken trank.
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